Klimahelden Moore: Wie man den Lebensraum per Gesetz schützen will

Moorlandschaft
Moore helfen im Kampf gegen die Klimakrise – doch 75 Prozent der ursprünglichen Fläche in NÖ ging verloren. Was Renaturierung bewirken kann.

Zusammenfassung

  • Moore sind wichtige Kohlenstoff- und Wasserspeicher, doch in Österreich gelten 90 Prozent als zerstört, was zur Freisetzung von CO₂ beiträgt.
  • Das EU-Renaturierungsgesetz will bis 2050 mindestens 50 Prozent der geschädigten Moorflächen wiederherstellen, wobei die Umsetzung komplex und auf Freiwilligkeit basiert.
  • Moore bieten Lebensraum für spezialisierte, oft bedrohte Arten und ihre Renaturierung erfordert Geduld, hydrologisches Wissen und gesellschaftliche Akzeptanz.

Von Anna Mayr

Am liebsten steht Stephan Glatzel, Professor für Geoökologie an der Universität Wien, auf weichem, federndem Boden – unter seinen Füßen jahrtausendealter Torf. Dieser wertvolle Speicher von Wasser und Kohlenstoff ist jedoch in Gefahr: Seit Jahrhunderten werden Moore trockengelegt – für Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Siedlungen oder den Torfabbau. Was früher als „Ödland“ galt, ist heute kostbares und seltenes Gut. Rund 90 Prozent der ursprünglichen Moore in Österreich gelten als zerstört. Die Folge: Wo einst große Mengen CO₂ gebunden waren, entweicht nun das Treibhausgas in die Atmosphäre.

Klimaschleudern

Weltweit sind rund fünf Prozent der globalen Emissionen auf trockengelegte Moore zurückzuführen – ein oft übersehener Klimafaktor, wie der Mooratlas 2023 berichtet. Den Kampf gegen den Klimawandel und für Feuchtgebiete nimmt die internationale Ramsar Konvention auf: sie ist ein internationales Übereinkommen zum Schutz von Feuchtgebieten, die auf die Bedeutung und den Schutz dieser einzigartigen Landschaften aufmerksam machen will. Auch in Niederösterreich sind die Donau-March-Auen, die Untere Lobau und Waldviertler Moore geschützt und Teil dieser Konvention.

Wollgras

Wollgräser kommen vor allem in Mooren vor, sie bevorzugen saure und immer feuchte Böden. 

Aktuelle Kartierungen gehen von circa 750 Hektar an Moorfläche in Niederösterreich aus, das sind in etwa 1.050 Fußballfelder. Was nun nach viel klingt, sind in Wahrheit nur noch Reste. Rund 75 Prozent der Moorflächen in NÖ wurden bereits zerstört. Nun soll das EU-Renaturierungsgesetz Abhilfe schaffen. Es setzt sich das Ziel, bis 2050 mindestens 50 Prozent der geschädigten Moorflächen zu renaturieren. Mindestens ein Drittel muss wieder vernässt werden.

EU-Gesetz trifft Realität

Landwirte und private Grundbesitzer sind besonders von dem Gesetz betroffen, für sie bleibt die Wiedervernässung eine freiwillige Maßnahme. Ein ambitionierter Plan den Glatzel für umsetzbar hält: „Ich halte es für notwendig, dass man ambitioniert vorgeht. Aber wenn ein Ziel zu unrealistisch erscheint, nimmt es keiner ernst – und das ist dann eher schädlich. Die Bauern müssen ja auch leben“, sagt der Geoökologe. Renaturierung dürfe nicht nur eine „Top-Down-Maßnahme“ sein, sondern müsse direkt ausgehandelt werden – mit Wissen, Beteiligung und Akzeptanz vor Ort.

Damit Moore ihre Rolle als Klimaschützer und Wasserspeicher wieder übernehmen können, braucht es Geduld und Wasser. Denn bei der Renaturierung geht es in erster Linie darum, den Wasserhaushalt wiederherzustellen: Gräben werden verschlossen, Stauelemente eingebaut, Drainagen entfernt. Doch so einfach das klingt, so komplex ist die Umsetzung. „Man muss wissen, woher das Wasser kommt, wie viel versickert und wie der Torf beschaffen ist“, erklärt Glatzel. Nur wenn der Wasserstand dauerhaft hoch bleibt, können sich moortypische Pflanzen wie Torfmoose neu ansiedeln.

++ THEMENBILD ++ RENATURIERTES VORARLBERGER MOOR SALGENREUTE ALS VORZEIGEPROJEKT

Torfmoose (Sphagnum) bilden Moore und sind dabei Pflanze und Boden zugleich. 

Eine Geduldsfrage

Viele Projekte beginnen deshalb mit aufwendigen hydrologischen Studien. Wichtig sei, so Glatzel, „eine Machbarkeitsstudie, die den Wasserhaushalt und den Zustand des Torfs prüft. Und dann Geduld. Ein Moor entsteht nicht über Nacht.“

Neben Klimaschutz bieten Moore Lebensräume für hoch spezialisierte Arten – viele davon stark gefährdet. „Es sind vor allem Arten, die nährstoffarme Standorte brauchen, die heute verschwinden. Zum Beispiel bestimmte Torfmoose, Libellen oder Sträucher“, erklärt Glatzel. Zum Problem wird vor allem die Stickstoffeintragung aus der Luft, etwa durch Abgase aus dem Verkehr oder der Landwirtschaft.

Viele Moore werden so ungewollt „gedüngt“ und damit verändert. Glatzel ist es wichtig, dass man sich mit dem Thema Renaturierung beschäftigt: „Es ist wichtig, zu verstehen und nicht, dass man Vogel Strauß spielt“, sagt er. Die Entscheidung, wie viel Schutz Moore bekommen und wie Renaturierung vor Ort funktionieren soll, müsse eine informierte und gesellschaftlich getragene sein. Denn eines ist sicher: Ohne Moore trocknet nicht nur der Boden aus – sondern auch unsere Zukunft.

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