Ein Mann, der den Mooren auf den Grund geht: "Ich bin da reingerutscht"

Stephan  Glatzel hat sich der Erforschung  der Moore  verschrieben.
Stephan Glatzel hat ein Faible für nasse Böden und für Pflanzen, die eigentlich Boden sind. Warum er davon nicht mehr loskommt, erzählt er im KURIER-Gespräch.

Von Anna Mayr

Wenn die Gummistiefel im nassen Boden quatschen und die Gelsen summen, sind das oft die einzigen Geräusche, die man in einem Moor hört – und genau diese Stille ist das Schöne an solchen Landschaften, sagt Stephan Glatzel. Der Professor für Bodenkunde an der Universität Wien beschäftigt sich seit Jahren mit Mooren, auch im Waldviertel. Nicht weil er es geplant hätte, sondern weil es ihm einfach passiert ist.

„Ich bin da reingerutscht“, sagt er und lacht. Während seiner Dissertation im deutschen Allgäu stieß er auf ein kleines Moor am Rand einer Grünlandfläche – der erste wissenschaftliche Kontakt mit dem, was später zur Leidenschaft wurde. Bei seinem Postdoc-Aufenthalt in Québec, Kanada – einem Land, das fast schon Moor-Nation ist – entschied er, endgültig dabei zu bleiben. „Ich hab gemerkt: Das ist ein Thema, das nicht mehr weggeht.“

Mehr Büro als Moor

Damit meint er: Moore sind wichtig zum Speichern von Kohlenstoff, um das lokale Klima zu kühlen und seltene Arten zu erhalten. In Österreich sind 90 Prozent der Moore zerstört. Was ihn täglich motiviert? „So kann es nicht mehr weitergehen, es muss sich etwas tun. Außerdem kann ich hier jeden Tag dem nachgehen, was mir Freude bereitet“, sagt er und breitet die Arme in seinem Büro voller Tatendrang aus. Sein Arbeitsalltag spielt sich meist hier im Büro ab – „leider“, wie er zugibt. Es gilt, Anträge zu stellen, Projekte zu planen oder Forschungsprojekte vor Ort vorzubereiten. „Aber kein Tag ist wie der andere und das macht die Arbeit so besonders“, sagt er.

Stephan  Glatzel hat sich der Erforschung  der Moore  verschrieben.

Stephan Glatzel hat sich der Erforschung der Moore verschrieben.

Im Kopf entsteht beim Wort „Moorforscher“ sofort ein Bild: lange Hose, Gummistiefel, Hut mit Fliegennetz. Aber was trägt man nun wirklich im Moor? „Das Klischee trifft es ganz gut“, sagt er schmunzelnd. „Gummistiefel trage ich immer, manchmal eine Wathose, wenn es richtig nass wird. Lange Ärmel sind ein Muss gegen die Gelsen.“

Bohrstock und Maßband

Was bei einem Besuch in den niederösterreichischen Moorlandschaften aber auch auf keinen Fall fehlen darf, präsentiert Glatzel gleich auf seinem Bürotisch: eine Rebschere, Cutter, Maßband, Plastiksackerl und ein Bohrstock. „Als Bodenkundler möchte ich immer wissen, wie der Boden und der Torf unter meinen Füßen aussieht.“

Und das meint er wörtlich, denn wer Moore verstehen und eventuell renaturieren möchte, muss in den Boden schauen. „Der Torf erzählt die Geschichte des Moors – wie es entstanden ist, wie feucht es war, wie viel Kohlenstoff gespeichert ist.“

Mit einem Bohrstock, den Glatzel auf jeder Exkursion mit dabeihat, entnimmt er schmale Bodenproben – jede Schicht, jede Farbe, jeder Geruch gibt Hinweise auf den Zustand des Moors. „Das hilft uns nicht nur, den aktuellen Zustand zu beurteilen, sondern auch zu verstehen, wie gut eine Renaturierung funktionieren könnte.“ Denn ob ein Moor wieder vernässt werden kann, hängt maßgeblich von der Beschaffenheit des Torfbodens ab. Obwohl er sich so viel mit Mooren beschäftigt, fasziniert Glatzel eine Sache noch immer besonders: Torfmoose. „Die Pflanzen sind der Boden, ohne Pflanzen gibt es keinen Boden. Das ist bei Mooren einzigartig“, erklärt er.

Die lokalen Klimaanlagen

Der Wissenschafter kommt schnell ins Schwärmen, wenn es um Moore geht; sei es wegen ihrer Stille, der Bewohner oder wegen ihrer Funktion als Klimaanlage. „Was viele nicht wissen, ist, dass Moore das lokale Klima kühlen können. Viele Städte versuchen, die coole City zu sein, und versprühen mit Düsen Wasser, damit die Luft kühler und feuchter ist. Moore machen das so nebenbei“, führt Glatzel aus.

Auch wenn er die meiste Zeit am Schreibtisch verbringt – im Kopf ist er oft draußen, zwischen Wollgras, Torfmoos und leiser Gelsenmusik. „Ich mach jeden Tag das, was ich will“, sagt er – und spricht dabei nicht nur als Forscher, sondern aus Überzeugung. Denn für Glatzel ist klar: „Wenn man einmal begriffen hat, wie kostbar Moore sind, kann man gar nicht anders, als sie zu schützen.“

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