Mit 26 Grad Körpertemperatur Stunden in Lawine überlebt

Die Nassschneelawine löste sich 100 Meter über einem beliebten Wanderweg in Annaberg (NÖ). Ein 67-Jähriger wurde verschüttet
„Das Unglück hätte jeden treffen können. In diesem Bereich vor allem auch Spaziergänger mit Kindern“. Bei der Bergrettung Niederösterreich spricht man nach dem Lawinenabgang am Mittwoch am Hennesteck nahe dem Skigebiet Annaberg (Bezirk Lilienfeld) eine deutliche Warnung aus.
Durch die markante Tageserwärmung auf knapp 15 Grad Plus ist ohne fremdes Zutun eine Nassschneelawine in einem 40 Grad steilen Waldstück abgegangen und auf einen beliebten Wander- und Skitourenweg gedonnert.
Einer von drei Skitourengehern aus dem Raum Baden wurde mitgerissen und verschüttet. Erst nach drei Stunden konnten ihn die Einsatzkräfte unter den Schneemassen finden und ausgraben. Es grenze an ein Wunder, dass der 67-Jährige mit einer Körpertemperatur von nur noch 26 Grad überlebte. Er wurde auf die Intensivstation der Uniklinik St. Pölten geflogen, wo die Ärzte am Donnerstag die Aufwachphase aus dem künstlichen Tiefschlaf einleiteten. Der Zustand des Patienten sei stabil.

Keine Sicherheitsausrüstung
Die Tourengeher hatten auf der vermeintlich leichten und als ungefährlich geltenden Route keine Sicherheitsausrüstung wie Sonden, Schaufeln oder Lawinenpieps dabei. Ein fataler Fehler, mahnt Karl Tisch, Bergretter und Mitglied der NÖ Lawinenkommission. „So etwas gehört immer zur Standardausrüstung. Wie der Fall zeigt, ist man nirgends ganz sicher. Auch ein dicht bewachsener Wald schützt nicht vor Lawinen“.
Gerade jetzt, wo es nachts bitterkalt ist und tagsüber die Temperaturen auch in 2.000 Meter Höhe deutlich ins Plus steigen, ist die Gefahr vor Nass- und Gleitschneelawinen latent, warnt Tisch. Laut Michael Larcher vom Österreichischen Alpenverein „hat der Lawinentod diesen Winter lange zugewartet, nun aber sehr rasch aufgeholt. Wir beklagen bisher 12 Opfer“. In der vorigen Wintersaison waren es österreichweit 18 Lawinentote.
Die meisten Unglücke passieren statistisch bei Lawinenwarnstufe drei. Aber auch bei der niedrigsten Lawinenwarnstufe eins gab es schon verheernde Zwischenfälle, wie jenen am 11. März des Vorjahres. Am Ötscher (NÖ) kamen dabei drei erfahrene Tourengeher – zwei von ihnen waren Bergretter – ums Leben.
Restrisiko
„Man darf sich nie auf die Lawinenwarnstufe verlassen. Ein Restrisiko bleibt immer“, sagt Tisch. Neben einer umfassenden Tourenvorbereitung empfiehlt er, gewisse Grundregeln einzuhalten. Dazu zählt, in steile Hänge nicht als Gruppe, sondern einzeln einzufahren und auch beim Aufstieg Abstände einzuhalten. „Das reduziert die Belastung auf der Schneedecke.“

Der Abtransport des geretteten Tourengehers in Annaberg
Der Lawinentod ist männlich
Alle zwölf Todesopfer im heurigen Winter waren übrigens Männer. In der vergangenen Wintersaison waren 17 von 18 Lawinenopfer männlich. Das liegt laut dem Österreichischen Alpenverein (ÖAV) nicht daran, dass sich im Winter mehr Männer zu Touren aufmachten, sondern vorrangig am männlichen Risikoverhalten, das stark von gesellschaftlichen Rollenbildern beeinflusst sei. Frauen unterlägen beispielsweise weniger leicht der "Illusion der Kontrolle", hieß es seitens des ÖAV.
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