Mistelbach: Der Schütze kam im Trenchcoat

Tatort vor dem Schulzentrum: Die Ermittlungen zu den Hintergründen des Schuss-Attentats laufen. Der Verdächtige ist geständig
Brief als Hinweis auf geplanten Amoklauf. Familie des Verdächtigen am "Boden zerstört". Opfer schildert die Momente der Tat.

(Im ursprünglichen Artikel hieß es, dass der Täter Schüler der HAK gewesen sei. Er war aber Schüler der HLW. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen)

Am Tag nachdem ein 19-Jähriger vor dem Bundesschulzentrum Mistelbach mit einem Schrotgewehr angeschossen und verletzt worden war (siehe Bericht unten), wurden mehr Details zum 18-jährigen mutmaßlichen Täter bekannt. Es scheint so, als ob die Schüler nur knapp einem Amoklauf mit mehreren Verletzten oder gar Toten entgangen sind. Erste Ermittlungen deuten darauf hin, dass sich der Verdächtige zuletzt mit Schießereien an Schulen beschäftigt haben soll. Und er dürfte die Tat angekündigt haben.

Wie seine Mutter dem KURIER berichtet, habe ihr Sohn in einem Brief geschrieben, dass er sich an zwei Burschen rächen wollte „für das, was sie ihm angetan haben“. Der 18-Jährige war vor Jahren für mehrere Monate Schüler der HLW, bestätigte die Polizei Donnerstagabend.

Bei der Schussabgabe selbst dürfte er einen dunklen Trenchcoat getragen haben. Bezeichnend: Jene Jugendlichen, die 1999 in der Columbine Highschool in den USA zwölf Mitschüler und einen Lehrer erschossen hatten, betraten die Schule in schwarzen Mänteln. Auch Sebastian B., der 2006 im deutschen Emsdetten 37 Schüler verletzt hatte, trug einen derartigen Trenchcoat.

Wie berichtet, war der 18-jährige Grundwehrdiener Mittwochabend in Wien-Floridsdorf mit Hilfe der Sondereinheit Cobra festgenommen worden. Die Polizei nutzte mit Hilfe von Bekannten des Verdächtigen dazu eine Finte. Nun wird wegen Mordversuchs ermittelt. Mario S. stammt aus dem Bezirk Mistelbach, war im Februar in der Kaserne in Langenlebarn eingerückt, er versah als Wachsoldat Dienst. Am Tattag hatte S. frei, wie Heeres-Sprecher Michael Bauer erklärt.

Bereits mehrere Tage zuvor hatte sich der bisher unbescholtene 18-Jährige in einem Waffengeschäft im Bezirk Gänserndorf eine sogenannte Baikal-Flinte samt Munition gekauft. Die kann auch ohne Waffenschein gekauft, aber erst nach einer Frist von drei Tagen abgeholt werden. Am Mittwoch selbst erschien er bewaffnet und mit dem Trenchcoat bekleidet bei dem Schulzentrum, er soll dann aus dem Hinterhalt auf den 19-jährigen Schüler gefeuert haben. 

Nach der Tat soll er die Flinte weggeworfen haben. Auch der Mantel wurde später von Ermittlern gefunden. Warum er aufgehört hat zu schießen, will die Polizei vorerst nicht bekannt geben. Danach soll S. Richtung Wien geflüchtet sein.

Die Registrierungsnummer der Flinte führte schließlich auf seine Spur. Als bekannt wurde, dass er in Langenlebarn seinen Grundwehrdienst versah, wurde eine Spindöffnung veranlasst, erklärt Heeres-Sprecher Bauer. Es sollte überprüft werden, ob sich sein Sturmgewehr, ein STG77, noch dort befand – was sich bestätigte.

Familie entsetzt

Der 18-Jährige ist laut Polizei geständig. Zu seinem Motiv wollte die Polizei offiziell keine Angaben machen. Auf seinen Social-Media-Profilen präsentiert sich S. als stolzer Soldat, posiert mit Waffen und Kameraden. Doch seine Online-Aktivitäten dürften  tiefer blicken lassen. Laut Insidern soll es Hinweise geben, dass er sich über Amokläufe in den USA informiert haben soll. Es wird jedenfalls auch in diese Richtung ermittelt. Laut Polizei-Sprecher Raimund Schwaigerlehner werden die Spuren, die er im Internet hinterlassen hat, in den nächsten Tagen genau ausgewertet.

Für die Familie des 18-Jährigen brach eine Welt zusammen. Ihr Sohn habe sich ihnen gegenüber niemals seltsam verhalten, erklärt seine Mutter. Er habe damals selbst die Schule verlassen wollen. Dass er Probleme mit Mitschülern gehabt habe, sagte er nicht. „Er war bis jetzt immer ein ganz normaler Jugendlicher, zwar immer sehr ruhig, aber psychisch stabil meiner Meinung nach“, schreibt die Frau in einer Stellungnahme. Es breche ihr das Herz und sie mache sich schreckliche Vorwürfe, nichts gemerkt zu haben.

Auch beim Bundesheer soll der 18-Jährige  nicht auffällig gewesen sein.  „Es gab kein eigenartiges Verhalten, keine Aussagen“, sagt Bauer. S. wurde Donnerstagnachmittag in die Justizanstalt Korneuburg eingeliefert. Am Freitag, wird die U-Haft beantragt.

Opfer: „Ich habe sofort geblutet“

Er war wohl schlicht ein Zufallsopfer. Am Tag nachdem er vor seiner Schule in Mistelbach, NÖ, von Kugeln aus einer Schrotflinte getroffen worden war, sitzt der Schreck bei dem 19-Jährigen tief. Seinen Namen will der Schüler des BORG nicht in der Zeitung lesen, solange er nicht weiß, warum ausgerechnet er von dem 18-jährigen Grundwehrdiener Mario S. ins Visier genommen wurde.
„Ich war auf dem Weg zum Bus, da habe ich einen Knall gehört. Ich habe sofort geblutet“, erzählt er dem KURIER.

„Anfangs dachte ich, es hat der Blitz eingeschlagen. Dann habe ich die Kugel in der Wange gespürt.“ Der Schüler war auf der rechten Seite gleich von mehreren Schrotkörnern getroffen worden. Er rief um Hilfe und rannte zurück zum Eingang, wo ihm zwei Kollegen zu Hilfe eilten sowie Rettung und Polizei  alarmierten. Die eintreffenden Beamten riegelten den Bereich um den Tatort sofort ab, befragten den 19-Jährigen. Doch er konnte nicht helfen. „Ich habe niemanden  gesehen“, erzählt er. Und stellt klar: Gerüchte, wonach er bedroht wurde oder Opfer von Cyber-Mobbing geworden sei, seien falsch. Vielmehr glaubt er auch an einen möglichen Amoklauf. „Ich war einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort.“

Der 19-Jährige wurde ins Spital Mistelbach gebracht, wo er bis zur Festnahme von S. Polizeischutz erhielt. Die Ermittler zeigten ihm auch ein Bild des Verdächtigen, er erkannte S. aber nicht.
Derzeit erholt sich der Schüler: „Mir geht es jetzt ganz gut“, sagt er.

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