Mariazellerbahn kippte um: Lokführer vor Gericht

Mariazellerbahn kippte um: Lokführer vor Gericht
Der 26-Jährige, der kein Bremsmanöver eingeleitet hatte, will sich an nichts mehr erinnern können. Der Prozess wurde vertagt.

Nach einem Zugunfall mit 32 Verletzten auf der Mariazellerbahn im Vorjahr hat sich der Triebwagenführer am Mittwoch in St. Pölten vor Gericht verantworten müssen. Die Anklage lautet auf grob fahrlässige Körperverletzung und fahrlässige Gemeingefährdung. Der 26-Jährige bekannte sich nicht schuldig. Laut seinem Verteidiger hatte sein Mandant eine Bewusstseinstrübung und war nicht zurechnungsfähig.

Eine „Himmelstreppe“ der Mariazellerbahn war am 26. Juni 2018 im Raum Völlerndorf in der Gemeinde Gerersdorf (Bezirk St. Pölten-Land) entgleist, die hinteren Wagen fuhren auf die vordere Garnitur auf. Von den rund 80 Passagieren wurden vier schwer und 28 leicht verletzt. Der Schaden lag im zweistelligen Millionenbereich, wegen Aufräum- und Reparaturarbeiten war die Strecke bis 2. Juli gesperrt.

Kein Bremsmanöver

„Nach dem Ergebnis der Untersuchungen, der Ermittlungen und der Sachverständigengutachten ist festzuhalten, dass keinerlei technische Probleme am Zug bestanden haben“, hielt Staatsanwalt Leopold Bien in seinem Eröffnungsvortrag fest. „Nach einer streckenkonformen, unauffälligen Fahrt, bei der alle Geschwindigkeitsbeschränkungen genau eingehalten wurden“, hätte der Triebwagenführer vor einer Kurve das Tempo von 70 auf 35 km/h verringern müssen, so der Vertreter der Anklagebehörde. Dieses Bremsmanöver habe der Beschuldigte nicht vorgenommen. „Über eine signifikante Zeitspanne von fast 20 Sekunden“ habe er „gar keine Bedienhandlung vorgenommen“.

Als eine Warneinrichtung im Zug unmittelbar vor der Kurve ein akustisches Signal abgab, habe der Triebwagenführer darauf reagiert und eine „nicht mehr situationsadäquate, rein elektrische Verzögerungsbremsung eingeleitet, keine Notbremsung“, wurde dem 26-Jährigen eine falsche Bedienhandlung vorgeworfen. Der Zug verringerte sein Tempo auf 62 bis 64 km/h, dadurch kippte der erste Triebwagen und zwei nachfolgende prallten dagegen.

Lokführer bekennt sich "nicht schuldig", Prozess vertagt

Gutachten

Ein Gutachten sei zum Schluss gekommen, dass eine vom Angeklagten geschilderte Bewusstseinstrübung „nicht sein kann“, sagte Bien. Der Staatsanwalt verwies auch darauf, dass der Beschuldigte auf das Warnsignal reagiert und eine Verzögerungsbremsung gesetzt hatte. „Entweder man ist im Blackout oder man ist nicht im Blackout und handlungsfähig. Eine Mittelvariante ist nicht möglich“, so Bien.

So bleibe nur der Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit. Zwei Privatbeteiligten-Vertreter machten Beträge von 10.000 bzw. 2.500 Euro an Schmerzengeld bzw. Schadenersatz für Verletzte geltend. Im Falle einer Verurteilung drohen dem Mann, der unbescholten ist, in der Einzelrichterverhandlung bis zu zwei Jahre Haft.

Blackout

Der Zugunfall habe für den Angeklagten ein „fürchterliches, einschneidendes Erlebnis“ bedeutet, sein Mandant sei ein „überaus korrekter, genauer und penibler“ Mensch, sagte der Verteidiger. Der Beschuldigte sei mit den Bremsfunktionen der Triebwagengarnitur „bis ins kleinste Detail vertraut“ und habe seit dem Jahr 2014 ungefähr 1400 bis 1500 Fahrten auf der Mariazellerbahn absolviert, er habe die Strecke „im kleinen Finger“.

Den Eintritt der Bewusstseinstrübung, durch die der Triebwagenführer nicht zurechnungsfähig gewesen sei, könne sich sein Mandant „bis heute nicht erklären“. Die Frage beschäftige den 26-Jährigen „Tag und Nacht“. Eine Ablenkung beispielsweise durch ein Mobiltelefon komme nicht infrage, verwies der Rechtsanwalt auf entsprechende Untersuchungen. Es sei auszuschließen, dass der Angeklagte die Bremsung bewusst gesetzt habe. Ein Verschulden seines Mandanten sei auszuschließen, beantragte der Verteidiger einen Freispruch.

Der Prozess wurde vertagt.

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