Hollabrunnerin holt EM-Silber mit 94: „Das macht mir so schnell keiner nach“

Hollabrunnerin holt EM-Silber mit 94: „Das macht mir so schnell keiner nach“
Margit Schieder ist eine Botschafterin des Tischtennissports. Vor wenigen Tagen wurde sie erneut ausgezeichnet.

„Ums Haar hätte ich die Goldene geholt, es haben nur ein paar Schläge gefehlt!“ Gedanklich ist Margit Schieder sofort wieder an der blauen Tischtennisplatte, an der sie 2019 in Budapest im Finale der European Veterans Championships gekämpft hat.

Und auch fünf Jahre nach dem Wettbewerb, mit dem sie sich einen Lebenstraum erfüllt hat, reflektiert die Hollabrunnerin ihr Spiel, geht die entscheidenden Momente gedanklich nochmals durch. So, wie sie es nach jedem Spiel in ihrer langen Karriere getan hat.

„Der Sport war mein Leben“, erzählt Schieder. Wofür sie dieser Tage einmal mehr ausgezeichnet wurde: Schon dreimal wurde Schieder zur Seniorensportlerin des Landes gekürt. Heuer wurde die 99-Jährige als älteste Seniorensportlerin Niederösterreichs gefeiert. „Für mich ist der Tischtennissport der Sport Numero uno. Man braucht dazu den ganzen Körper – auch den Kopf“, sagt Schieder. Denn die Selbstanalyse sei ihr Erfolgsgeheimnis gewesen. Einen Trainer, wie andere Sportlerinnen auf ihrem Niveau, hatte sie nie.

Wobei sie ihr Talent für den Tischtennissport rein zufällig entdeckte: Freunde ihrer Eltern hatten die Familie zu gemeinsamen Spielen eingeladen. Das war im Jahr 1945. „Dieser Sport hat mich so sehr begeistert. Wenn ich einen Tisch gesehen habe, hat mein Herz gleich höhergeschlagen.“ Weshalb die Erfolge nicht lange auf sich warten ließen: Bereits 1948 holte Schieder den ersten einer Reihe von Landesmeistertiteln, 1950 schlug sie bei den Bundesmeisterschaften auf.

Hollabrunnerin holt EM-Silber mit 94: „Das macht mir so schnell keiner nach“

Margit Schieder mit Albert Wilder, dem Obmann des TTV Sierndorf. 

Pionierin

Ganz nebenbei gründete die Hollabrunnerin 1946 einen Verein in ihrer Heimatstadt, der bis heute besteht. „Wir haben uns in der alten Jahnhalle getroffen und mussten unsere Tische immer erst aufbauen und zusammenschrauben. Heute ist das ja ganz etwas anderes“, erinnert sich Schieder gerne an die Anfänge zurück. Bis 1992 stand sie dem Verein vor.

Von Anfang an mit von der Partie waren – wohl auch dank der Gründerin – Frauen. Trotz des harten Alltags, den die Nachkriegszeit mit sich brachte. Schieder war mit einem Winzer verheiratet, 60 Jahre lang kümmerte sie sich um die drei Hektar umfassenden Weingärten, die Verarbeitung und den Verkauf. Und natürlich um die zwei Kinder des Paares, wobei Tochter Eva sich ebenfalls für den Tischtennissport begeisterte. Dennoch: Viel Zeit blieb Schieder für ihren Sport nicht. „Aber mein Training ist sich immer irgendwie ausgegangen, dafür war ich nie zu müde“, betont sie.

Dennoch musste sie lange auf ihr Ziel, es sportlich bis an die internationale Spitze zu schaffen, hinarbeiten. Dass sie mit 94 Jahren bei einer Europameisterschaft um den Sieg kämpfen würde, hätte sie trotz ihres eisernen Willens aber selbst nicht gedacht.

„Eigentlich wollte ich nur einmal wieder mit Frauen in meinem Alter spielen“, sagt Schieder lachend. Tatsächlich waren aber alle Teilnehmerinnen in ihrer Kategorie deutlich jünger, sie war sogar die älteste Spielerin der Senioren-EM, die in Juli 2019 in Ungarn stattfand.

Schlussendlich musste sie sich im „Consolation“-Bewerb nur der damals 88-jährigen Ragnhild Lundberg aus Schweden geschlagen geben. „Aber immerhin war es eine Medaille, das macht mir so schnell keiner nach“, weiß Schieder, die damit auch für ihren aktuellen Verein, den TTV Sierndorf (Bezirk Korneuburg), einen historischen Erfolg einfuhr.

Vorbildrolle

Margit Schieder ist ein Vorbild. Für Kinder genauso wie für Menschen im Alter. „Ich werde oft gefragt, warum ich noch so gut beisammen bin. Da antworte ich immer: Bewegung, Bewegung, Bewegung.“ Tischtennis sei ein Sport, den man in jedem Alter spielen kann. Und zwar das ganze Jahr über, zu zweit, mit der Familie oder alleine gegen die Platte oder eine Wand. „Es reicht, wenn man einen größeren Tisch zu Hause hat. Und was glauben Sie, wie oft man sich nach dem Ball bücken muss. Das ist Rückengymnastik!“, will Schieder motivieren.

Ein Anstoß, den sie selbst nie gebraucht hat – auch heute, nach einer Verletzung, nicht. Denn neue Ziele gehen ihr selbst mit 99 Jahren nicht aus: „Am 24. Mai werde ich 100 Jahre alt. Vielleicht werde ich den Schläger da nochmals in die Hand nehmen.“ Eine Vorstellung, die Schieder strahlen lässt.

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