Magdalena lernt sehen – dank früher Förderung

Eine Frau spielt mit einem kleinen Mädchen mit bunten Tüchern auf dem Boden.
Seit 40 Jahren fördert der Verein Contrast blinde und sehbehinderte Kinder. Für viele ist dadurch ein normaler Alltag möglich.

Zusammenfassung

  • Der Verein Contrast fördert seit 40 Jahren blinde und sehbehinderte Kinder, um ihnen einen möglichst normalen Alltag zu ermöglichen.
  • Die Frühförderung findet meist zu Hause statt, wird großteils finanziert und unterstützt Kinder in den ersten sechs Lebensjahren gezielt beim Sehen und der Entwicklung.
  • Contrast betreut aktuell rund 250 Kinder in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland und legt Wert auf individuelle, alltagsnahe Unterstützung für Familien.

Dass Magdalena das Spielzeug greifen kann, ist ein Erfolg. Eine Stunde lang übt die Dreijährige beim Besuch von Heilpädagogin Katharina Snoy, etwa Gegenstände von einer auf die andere Seite zu räumen. 

Ein Lichtboard hilft dem Mädchen dabei. „Ihre Handbewegungen sind schon viel mehr visuell kontrolliert“, erklärt die Frühförderin. Sie ist mindestens so stolz wie Magdalenas Eltern. Denn dass die Dreijährige ihr Sehvermögen nun besser einsetzen kann, ist ein enormer Fortschritt – auch für ihre motorischen und kommunikativen Fähigkeiten.

Zeitfenster

Was für andere Kinder in diesem Alter selbstverständlich ist, ist für das Mädchen harte Arbeit. Magdalena kam mit einem Gendefekt zur Welt, sie leidet unter Ataxie, einer Entwicklungsverzögerung und einer Sehschwäche. Seit sie zehn Monate alt war, wird sie zu Hause vom Verein Contrast betreut und ihr Sehvermögen gefördert. 

„Die Entwicklung von Kindern verläuft anders, wenn das Sehen beeinträchtigt ist“, erklärt die pädagogische Leiterin Michaela Ennöckl. „Sehen ist der Entwicklungsmotor.“ Doch um hier einzugreifen, gäbe es auch nur ein gewisses Zeitfenster, weshalb die Förderung in den ersten sechs Lebensjahren stattfindet.

Drei Frauen sitzen nebeneinander, eine hält ein grünes Krokodil-Kuscheltier.

Contrast-Obfrau Hilde Mayer mit ihren Mitstreiterinnen Michaela Ennöckl und Christine Rammler (v. li.) 

Betreuung zu Hause

Magdalena ist eines von 250 blinden, sehbehinderten und mehrfachbehindert-sehgeschädigte Kindern, die heuer in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland vom Verein betreut werden. Das Jüngste war bei Therapiebeginn gerade einmal drei Wochen alt. Heuer feiert Contrast sein 40-jähriges Bestehen.

„Der große Benefit für uns ist, dass die Förderung zu Hause passiert“, erzählt Magdalenas Papa Herbert Z. Die Betreuer, meist Heil- und Sonderpädagogen mit einer Weiterbildung für Kinder mit Sehbehinderung, bringen dabei Übungsmaterialien mit und zeigen den Eltern auch, wie man daheim (Spiel-)Umgebungen schafft, die sehbeeinträchtigte Kinder gut nutzen können – etwa einfärbige Spieldecken und kontrastreiche Gegenstände. Aber auch der Umgang mit Sehbehelfen wird gezeigt oder beim Erlenen von Braille-Schrift sowie der Kindergarten- und Schulwahl geholfen. Beim Verein selbst stehen spezielle Therapieräume zur Verfügung.

Anfänge

Die Kosten für die Förderung werden großteils von den Ländern übernommen. Je nach Bundesland fällt ein jährlicher Vereinsbeitrag an sowie 16 bis 22 Euro pro Fördereinheit. So soll sichergestellt werden, dass sich jeder unabhängig vom Einkommen die Förderung leisten kann.

Das Bewusstsein, wie wichtig die frühe Unterstützung daheim ist, war nicht immer da. Noch Anfang der 1980er-Jahre, wurden Kinder ab drei Jahren weit weg von zu Hause in Heimen betreut und unterrichtet. Contrast-Gründerin Hilde Mayer, die 1981 als Sozialpädagogin gearbeitet hatte, sowie einige Mitstreiter wollte Verbesserungen erreichen und die Frühförderung im gewohnten Umfeld der eigenen vier Wände ausbauen. In Eigenregie bildeten sie sich international fort und bot fortan Familien mit sehbeeinträchtigten Kindern Unterstützung daheim an. 1985 gründete sie den Verein.

Führerschein A

Auch Verena K. aus Statzendorf bei St. Pölten verdankt Contrast ihr Augenlicht. Kurz nach der Geburt wurde bei der 23-Jährigen ein Katarakt diagnostiziert. Im Alter von fünfeinhalb Monaten musste ihr die getrübte Linse entfernt werden. „Wegen des grauen Stars konnten sich keine Sehzellen bilden“, erinnert sich Verenas Mama Helga K. Erst mit sechs Monaten hat das Mädchen begonnen, auf Licht zu reagieren.

Einmal pro Woche erhielt sie in den folgenden Jahren Besuch von Frühförderin Irene Dienstl und deren Lichtkoffer. Ohne die Unterstützung hätte Verena blind werden können oder zumindest speziellen Förderbedarf gehabt. Stattdessen besuchte sie die Regelschule, machte den Motorrad-Führerschein und wird im Herbst in den Niederlanden studieren. An ihre Sehschwäche erinnert nur eine Brille – und 13 Dioptrien. Als Baby hatte sie noch 21. „Wenn ich zurückdenke, dann merke ich, wie viel das damals wert war“, sagt die 23-Jährige.

Auch Magdalenas Papa Herbert Z. ist sich sicher: „Ohne Contrast wäre Magdalena nicht da, wo sie jetzt ist. Denn ohne Sehen fehlt ein Puzzlestein. Das können wir schwer kompensieren.“

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