Labyrinthkeller in Herrnbaumgarten: Im Bann der vergessenen Weinkeller

Labyrinthkeller in Herrnbaumgarten: Im Bann der vergessenen Weinkeller
Etwa die Hälfte seines Lebens hat Friedl Umschaid in den Gewölben unter den Wurzeln der Weinstöcke verbracht.

Von Kristina Leitner

„Ein Wahnsinniger“, lacht Gottfried Umschaid, während er den klobigen Schlüssel aus einem reich bestückten Bund herauspickt und im Schloss dreht. Als solcher sei der Winzer bereits einige Male von diversen Bekannten bezeichnet worden. 

Der Grund findet sich hinter einer dunkelgrünen Weinkellertür in Herrnbaumgarten (Bezirk Mistelbach). Umschaid tritt durch den Rahmen und hinein in den dahinterliegenden Raum, der vage an eine Bar erinnert. Rund um den gemauerten Tresen stapeln sich diverse Weinflaschen aus seinem eigenen Betrieb, leere Gläser sind in dem Zimmer verteilt. Hier beginnt der Winzer traditionell mit dem Rundgang durch seinen Labyrinthkeller.

„Ein Lebenswerk“

„Eigentlich wollte ich nur eine Vinothek“, erinnert sich Umschaid an den Anfang des Projekts. Dafür begann der damals 35-Jährige, die einzelnen Abteile seiner Weinkeller zusammenzulegen. Einmal mit dem Graben begonnen, konnte er jedoch nicht mehr aufhören: „Irgendwie wird man süchtig. Und du beginnst damit, dir vorzustellen, was hintern den Wänden sein könnte. Der eine Keller war mir einfach zu wenig.“

Labyrinthkeller in Herrnbaumgarten: Im Bann der vergessenen Weinkeller

Jahrzehntelang arbeitete Umschaid in den dunklen Gängen, schaffte Verbindungen zu den angrenzenden Gewölben, die einst seinen Nachbarn gehörten, und sammelte alte Mauerziegel auf Deponien, um etwa den Boden zu pflastern. „Ich hab versucht, es auch ’auf alt’ zu erhalten. Nicht zu geradlinig, damit es auch ein Leben hat“, erklärt er. 

Gefährlich seien die Arbeiten nicht gewesen, immerhin habe er die ersten Tunnel möglichst schmal gegraben und erst nach und nach zu Gängen ausgeweitet. In den vergangenen 35 Jahren entstand so sukzessive ein mehrere Hundert Meter langes unterirdisches Netz. „Es war sicher ein Lebenswerk“, fasst Umschaid sein Werk beim Spaziergang durch die verwinkelten Gänge zusammen.

Labyrinthkeller in Herrnbaumgarten: Im Bann der vergessenen Weinkeller

Nicht ganz vollendet

Heute organisiert der Weinenthusiast Verkostungen, Theaterabende oder Lesungen in seinem Irrgarten unter der Erde und haucht den teils Hunderte Jahre alten Kellern gewissermaßen neues Leben ein. Denn mittlerweile stehe die meisten der unterirdischen Gemäuer leer, sie sind in Zeiten des modernen Weinbaus obsolet geworden.

Gottfried Umschaid hält jedoch an ihnen fest und das, obwohl er sich eigentlich als Pensionist bezeichnet. Einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für seinen Weinbaubetrieb gibt es allerdings nicht. Auf die Frage, ob man sich dann überhaupt je zur Ruhe setzten könne, folgt ein schnaubendes Lachen, während er damit fortfährt, im Vorbeigehen leere Flaschen von den gemauerten Kellertischen einzusammeln.

Labyrinthkeller in Herrnbaumgarten: Im Bann der vergessenen Weinkeller

Mit dem Graben hat der gelernte Winzer nicht gänzlich abgeschlossen. Kurz hält er an einer Sackgasse im Tunnel inne, Geröll blockiert den Weg. An dieser Stelle könne man seinen Irrgarten mit dem Nachbarskeller verbinden, erklärt er. Noch zweifelt Umschaid aber, ob er wirklich noch einmal zur Schaufel greifen möchte. „Das ist nur ein Lehmkeller“, so seine Erklärung. Allerdings, so überlegt er laut, könne darin eine Säulenhalle entstehen.

Da hat sie ihn wohl wieder, die alte Sucht, die Umschaid seit Jahren Mauern überwinden lässt. Denn: „Wenn so ein Keller fertig war, war das schon immer eine Freude“, gibt er zu. Und vielleicht wird er diese Euphorie schon bald erneut erleben.

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