Kunst trifft Therapie: Mitarbeit im Museum

In einer Kunstgalerie hängen mehrere Gemälde und eine Skulptur.
Im Kunstmuseum Waldviertel sind im Rahmen eines Inklusionsprojektes 14 Menschen mit psychischen Erkrankungen tätig.

Amabel (27) und Jan (79) arbeiten seit etwa vier Monaten im Kunstmuseum Waldviertel in Schrems (Bezirk Gmünd), von Montag bis Freitag, mehrere Stunden pro Tag. „Mit Kunst hatte ich bisher eigentlich nichts zu tun“, erzählt Jan dem KURIER. Trotzdem mag er seine neue Tätigkeit sehr. „Wir arbeiten im großen Skulpturengarten und machen die Rahmen für die Kunstwerke“, erzählt er. Und auch an einem Mosaik hat er mitgearbeitet. Amabel hingegen ist sehr kreativ, sie lässt keinen Workshop aus, der außerhalb ihrer Arbeitszeit für Besucherinnen und Besucher des Museums angeboten wird.

Amabel und Jan sind zwei von insgesamt 14 Personen mit psychischer Erkrankung, die im Rahmen eines jungen und österreichweit einzigartigen Betreuungs- und Arbeitsprojektes in die Arbeitsprozesse des Museumsbetriebes integriert werden. Sie leben in einer betreuten WG am Schremser Hauptplatz, die Mitte Juni bezogen werden konnte. „Es gibt vier Wohneinheiten mit je drei bis vier Zimmern“, erklärt Peter Hecht, Geschäftsführer der gemeinnützigen IGZ GmbH, die hinter dem psychosozialen Projekt steht.

Begleitung

In der Wohngemeinschaft und auch im Museum werden die erkrankten Personen rund um die Uhr von professionell ausgebildetem Personal betreut. „Ich schätze es sehr, dass da immer jemand ist, mit dem ich reden kann, dem ich sagen kann, wenn ich traurig oder wütend bin, dass es nicht mehr wie in meiner Kindheit ist“, sagt Amabel. Sie hat Vernachlässigung und Gewalt erlebt. Seit der Volksschule ist Amabel in Therapie unter anderem wegen Panikattacken. Nach einem psychischen Zusammenbruch im heurigen Jahr ist sie auf eigenen Wunsch in die Psychiatrie des Landesklinikums (LK) Waidhofen/Thaya gebracht worden. Dort erfuhr sie vom neuen Projekt in Schrems. „Es ist ein wahnsinniges Glück, dass ich hier sein kann.“

Ähnlich empfindet es auch Jan. Er litt an einer schweren Depression. „Ich war allein und bin nur noch in der Küche gesessen, am Ende habe ich nicht mehr gegessen und getrunken. Meine Nachbarin hat dann die Rettung gerufen.“

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An das Museum grenzt ein Shop an, auch dort arbeiten die Projektteilnehmenden. 

Warteliste

„Wir haben eine Warteliste“, sagt Peter Hecht. Anfragen kommen mittlerweile aus ganz Österreich. Da das Projekt vom Land Niederösterreich finanziert wird, können aber nur Menschen mit Hauptwohnsitz in NÖ aufgenommen werden. Vorgesehen sind noch weitere Betreuungsplätze – insgesamt sollen es 30 werden. „Wir werden ein neues Wohnhaus errichten. Dort sollen 18 Menschen einziehen und eine Tagesbetreuungsstätte eingerichtet werden“, so Hecht. Somit werden nicht alle im Museumsbetrieb eingebunden werden. „Nicht jeder ist in der Lage, solche Aufgaben zu übernehmen“, betont der Geschäftsführer.

Im Museum, das in Gehweite von den Wohngemeinschaften liegt, arbeiten die Betroffenen im Shop, im Café und im 10.000 Quadratmeter großen Skulpturenpark mit. „Es gibt immer etwas zu tun“, versichert Museumsgründerin und Künstlerin Heide Warlamis (83), und „genügend Arbeiten, bei denen die Betroffenen eingebunden werden können.“ Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums arbeiten auch seit dem Start des Inklusionsbetriebes im Juni weiter. „Ich freue mich sehr, wie offen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem Projekt gegenüberstehen und die Betroffenen auf ihrem Weg in ihr neues Leben begleiten und unterstützen – auch das ist nicht selbstverständlich“, so Ruth Schremmer, Geschäftsführerin des Kunstmuseums.

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Die beiden Künstler Heide und Makis Efthymios Warlamis gründeten 2009 das Kunstmuseum Waldviertel in Schrems.

Die Projektverantwortlichen zeigen sich sehr zufrieden. „Ich habe damit gerechnet, dass es eine gute Sache ist und funktioniert, aber dass alles so schnell so reibungslos funktioniert, hat mich selbst überrascht“, betont Hecht, der ähnliche Projekte in Niederösterreich zuvor schon umgesetzt hat, und weitere plant. Auch Standortleiterin Ursula Pichler sagt auf Nachfrage, dass es beim Zusammenleben keine Reibungen gebe.

Ebenfalls überrascht zeigen sich die Verantwortlichen davon, wie sich die Stimmung in der Schremser Bevölkerung verändert hat. Anfangs gab es durchaus kritische Stimmen und Projektgegner (der Kurier berichtete), nun hätten die neuen Schremserinnen und Schremser sogar die Möglichkeit, in der Bibliothek mitzuhelfen. Das bestätigt auf KURIER-Nachfrage auch Bürgermeister David Süß.

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