Kulturhauptstadt: „Wollen St. Pölten neu positionieren“

Kulturhauptstadt: „Wollen St. Pölten neu positionieren“
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler kämpfen um das Projekt Kulturhauptstadt.

Herr Bürgermeister, als in St. Pölten der Plan geboren wurde, sich als Kulturhauptstadt zu bewerben, wurde das mancherorts sogar als Größenwahn abgetan. Was war die Motivation?

Matthias Stadler: Größenwahnsinnig sind wir nicht. Wir wollen uns aber weiterentwickeln und glauben, dass da die Bewerbung ein logischer und nachvollziehbarer Schritt ist. Die Bevölkerung von Niederösterreich hat sich 1986 für eine Landeshauptstadt St. Pölten ausgesprochen. Die Stadt ist danach in allen Bereichen gewachsen und jetzt ist der Punkt gekommen, das in Angriff zu nehmen. Es geht ja nicht nur darum, Kulturhauptstadt 2024 zu sein, sondern um eine Strategie für die Stadt, die darüber hinaus wirken soll. Wir glauben, dass wir jetzt dafür reif sind, uns als Europäische Kulturhauptstadt zu bewerben.

Im Gegensatz zu anderen Bewerbern war bei St. Pölten das Land von Anfang mit an Bord.

Johanna Mikl-Leitner: Wir waren von der ersten Minute an dabei. Denn es ist in Wahrheit für ganz Europa etwas Besonderes und Einzigartiges, dass in unserer Region eine neue Landeshauptstadt geschaffen wurde. Das ist ein wichtiger Punkt in der Bewerbung. St. Pölten hat in den vergangenen 32 Jahren eine dynamische Entwicklung hinter sich. Diese Entwicklung ist aber noch nicht zu Ende. Die Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2024 sehe ich daher als Jahrhundertchance für die Landeshauptstadt. Die Initialzündung dazu ist auch von der Bevölkerung gekommen – ein wichtiger Punkt. Und der Herr Bürgermeister und ich sind auf einer Linie, weil das Projekt ein nächster Schub für die Stadt und die ganze Region sein kann.

Die Erwartungen sind, dass man die Landeshauptstadt St. Pölten neu positioniert?

Mikl-Leitner: Wir sehen uns mit der Bewerbung auch ein wenig als „Testlabor“, weil Mittelstädte wie St. Pölten in Zukunft vor ganz großen Herausforderungen stehen. Der Weg zur Kulturhauptstadt Europas kann aufzeigen, welche Aufgaben diese Städte bewältigen müssen. Es ist somit eine tolle Chance, auf diese Zukunftsfragen Antworten geben zu können.

Stadler: Die Neu-Positionierung ist ein Teil unserer Strategie. Wir sind ja in einem völligen Veränderungsprozess. Aus der Vergangenheit heraus wird St. Pölten von vielen noch als Industriestadt, als Arbeiterstadt gesehen. Für manche gibt es auch noch die Eindrücke der schmutzigen oder – speziell bei uns – der vom Geruch belasteten Stadt. Das ist aber alles vorbei. Wir wollen im Konzert der österreichischen Städte eine neue Rolle spielen. Dazu gehören Kunst und Kultur, aber auch verstärkt das Bildungsthema bis hin zur Wissenschaft. Aber auch die vielen Start ups und Initiativen, die da entstanden sind. Kulturhauptstadt ist mehr, als bauliche Veränderungen und große Events. Es ist eine nachhaltige Stadt- und Regionsentwicklung.

Mikl-Leitner: Entscheidend ist, dass wir einen totalen Paradigmenwechsel haben. Ich würde das mit dem Bild beschreiben, dass sich St. Pölten von einer Stadt mit rauchenden Schloten hin zu einer modernen, innovativen Stadt mit Lebensqualität entwickelt hat. Ein ganz zentrales Element ist dabei die Kultur, weil aus ihr auch die Innovationskraft für viele andere Bereiche kommt. Dafür kann das Projekt Kulturhauptstadt Europas 2024 eine riesige Trägerrakete sein.

Kulturhauptstadt: „Wollen St. Pölten neu positionieren“

Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Matthias Stadler (SPÖ): Gemeinsame Strategie für St. Pölten als Kulturhauptstadt

Gibt es markante Projekte für die Entwicklung hin zur Europäischen Kulturhauptstadt?

Stadler: Es geht darum, unter den Städten besondere Nischen zu finden. Wenn man sich etwa die Programmierung im Festspielhaus oder im Landestheater ansieht, dann wurde da schon eigene neue Akzente gefunden. Wir haben uns sehr gut entwickelt, wir wissen aber auch, dass wir einiges noch zu erledigen haben. Etwa das Thema der Verbindung oder der Vernetzung der Innenstadt mit dem Regierungsviertel. Oder die Bespielung der öffentlichen Plätze. Mit der Neugestaltung des Domplatzes zum Beispiel würde man der Stadt schon einen neuen Mittelpunkt geben.

Mikl-Leitner: Nach der Entscheidung für die Landeshauptstadt war es in den vergangenen drei Jahrzehnten notwendig, aufzuholen und zu investieren. In den Verwaltungs- und Kulturbezirk, in die Infrastruktur, in die Fachhochschule und so fort. Jede Investition war ein wertvoller Puzzle-Teil für sich. Jetzt ist es wichtig, dieses Puzzle zusammenzufügen, zu vernetzen – für einen modernen Auftritt nach außen. Bei einer Kulturhauptstadt Europas geht es nicht in erster Linie darum, dass etwas neu gebaut wird. Es geht um die Frage, wie ich Bestehendes programmatisch nutzen kann. Darauf liegt der Schwerpunkt des Investments.

Es wird ja nicht wenig investiert?

Mikl-Leitner: Nehmen wir den Kulturbereich her. Da haben wir uns verständigt, dass der Schwerpunkt auf der Renovierung, Adaptierung und Erweiterung der Kulturinfrastruktur liegt. Dazu zählen etwa der Klangturm, die Synagoge, das Festspielhaus, das LAMES-Vereinsgebäude im Sonnenpark oder das Stadtmuseum. Ein neuer Schwerpunkt liegt in der Inszenierung des öffentlichen Raumes. In den Arbeitsgruppen ist auch herausgekommen, dass wir einen Fokus auf die Kulturvermittlung richten, wobei eine eigene Einrichtung für Kinder, ein „KinderKunstLabor“, geschaffen werden soll.

Gibt es den Plan B, falls gegen St. Pölten entschieden wird?

Mikl-Leitner: Wir werden alles daran setzen, den Titel Kulturhauptstadt Europas 2024 nach Niederösterreich zu holen. Sollten wir es nicht schaffen, werden wir trotzdem im selben Jahr einen Schwerpunkt Kultur in St. Pölten setzen. Wir investieren ja auch bereits in die Vorbereitung sehr viel Geld und die Bevölkerung macht intensiv mit. Wir werden St. Pölten im kulturellen Glanz erstrahlen lassen - mit und ohne Kulturhauptstadt.

Stadler: Der Jury und anderen gegenüber gibt es aber das klare Signal, wie sehr wir es gemeinsam wollen. Auch wenn wir einen Plan B haben.

2024 geht es ja nicht nur um die Landeshauptstadt, sondern um die ganze Region.

Stadler: Es ist auch der touristische Ansatz des Landes, dass wir uns bei den vielen Angeboten, die es in der Landeshauptstadt und in der Region gibt, noch besser vernetzen und uns letztendlich auch gemeinsam positionieren. Derzeit gibt es zwar die Wachau, es gibt den Zentralraum, es gibt einzelne Player wie die Stifte, aber wir treten nicht gemeinsam als Region in der Mitte Niederösterreichs auf. Und das wollen wir künftig über die Kulturhauptstadt hinaus tun.

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