Prozess um Dschihadisten mit fehlendem Weitblick vertagt
Alle behandeln mich wie einen Terroristen. Sie sehen nicht mich, sondern das Bild um mich herum." Magomed Z. wird umringt von vier maskierten und bewaffneten Justizwachen in Schutzwesten. Vor und im Kremser Landesgericht patrouillieren Polizisten. Die Richterin und die Staatsanwältin meiden wie am ersten Prozesstag Kontakt mit Fotografen. Das Verhalten ist ein Sinnbild dafür, wie groß die Angst jenes Teils der Justiz ist, der sich direkt mit Terror-Causen befasst.
Die Staatsanwältin warf ein, Z. habe "viel beigetragen" zu diesem Bild. Der 30-Jährige war in Syrien, hortete Propaganda-Material der Terrormiliz Islamischer Staat, suchte im WWW nach Bomben-Fernzündern, posierte in Dschihad-Manier mit Waffe und in Soldatenkluft. Er schrieb Gleichgesinnten Sätze wie "Ohne Dschihad ist das kein Leben" und berichtete in Syrien über Gewehrfeuer. Wird er schuldig gesprochen, drohen ihm wegen Mitgliedschaft in einer Terror-Vereinigung bis zu zehn Jahre Haft.
"An der Hand geführt"
Durch den Saal hallt die tiefe Stimme eines per Video-Konferenz aus Essen zugeschalteten Tschetschenen. Zeuge D. hat den Angeklagten "drei oder vier Mal in Syrien" getroffen und beschreibt den laut einem Gutachter fast blinden 30-Jährigen als ein Patscherl. Z. "sehe nicht, was vor seiner Nase ist". Nur wenn ihn "jemand an der Hand geführt" habe, sei er zurechtgekommen, erzählte der Zeuge. Und D. hielt es für plausibel, dass es von Z. Fotos mit Waffe und in Kampfmontur gebe. "Wer (Anm. in Syrien) in Zivilkleidung herumläuft, wird dort ausgeraubt und getötet."
Glaubt man Z. und D., dann waren beide vor Ort, um verschollene Bekannte zu suchen. In der Provinz sei es während seines Aufenthalts von Oktober bis Dezember 2013 friedlich gewesen, schilderte D., in dessen Wohnung der Pass des Angeklagten gefunden worden war. Deutsche Ermittler hatten danach die österreichischen Behörden informiert. D. ist allerdings nicht in Haft, sondern in Psychotherapie.
Sehr spät kam zur Sprache, wie der Tschetschenien-Konflikt in Syrien und vielleicht auch in die Causa Z. hineinspielt. Viele Tschetschenen betrachten Syrien als Stellvertreterkrieg – da der Feind Bashar al-Assad ein Verbündeter Russlands ist. Ein anderer Aspekt wurde evident, als am Vorabend des zweiten Prozesstages die belastenden Aussagen von zwei Tschetschenen eintrudelten. Es drängte sich der Eindruck auf, als spiele die tschetschenische Justiz ihr eigenes Spiel mit Exilanten.
"Wortidente" Aussagen
Der Sukkus der belastenden Aussagen: Sie seien mit Z. in den Dschihad gezogen, hätten dort Körper- und Waffentrainings absolviert. Z.s Anwalt Wolfgang Blaschitz stieß sauer auf, wie die beiden das beschrieben haben. "Die Protokolle sind wortident."
Die Richterin durfte die Protokolle nicht als Beweise werten, hielt Z. die Aussagen aber vor. Er bestritt den Kampfeinsatz. "Ich wollte Flüchtlingen helfen. Ich bin kein Terrorist." Und er berichtete, die tschetschenischen Behörden "wollen mich um jeden Preis heimholen". Die Anklägerin hielt das für unlogisch. Durch belastende Aussagen käme er eben nicht schnell in die Obhut der tschetschenischen Behörden. Sie weitete die Anklage aus, indem sie Z. nun auch vorwirft, mit den Fernzünder-Plänen einen Terrorakt geplant zu haben. Ein Urteil steht bisher noch aus.
Der Prozess wurde am Abend auf unbestimmte Zeit vertagt.
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