"Mafiöse Vorgehensweise": Gerichtsprozess in NÖ wurde zur Milieustudie

Der 37-Jährige betont es immer und immer wieder: „Ich wusste nicht, was sie vorhaben“. Und genau darum ging es bei der Verhandlung am Freitag im Landesgericht Korneuburg: Hatte der Mann mit Vorsatz an einer Brandstiftung mitgewirkt? Oder hatte er sich „nur“ der schweren Sachbeschädigung schuldig gemacht, zu der er sich unumwunden bekannte?
Fest stand, und auch das gab der Angeklagte zu, dass er den Brandstifter am Abend des 30. August 2024 mit einem Motorrad zum Tatort brachte. Ein Firmengelände in Himberg war das Ziel, der Anlass ein Streit in der bosnischen Community. Denn der Schwager des Angeklagten, V., forderte nach einem Grundstückskauf 200.000 Euro von dem betroffenen Firmenchef, er habe diesem erst zu dem Areal verholfen. Als der Unternehmer sich weigerte, das Geld auszuzahlen, kündigte V. Rache an: „Dann werde ich das auf meine Art machen“, ließ er wissen.
Er selbst wollte sich für seine Vergeltung aber wohl nicht die Finger schmutzig machen. Stattdessen spannte er zwei Männer aus seinem Umfeld dafür ein – darunter den 37-jährigen Angeklagten. Dieser wusste wohl, dass es zu einer Sachbeschädigung kommen sollte. Der Täter hätte in der Tatnacht sogar einen Vorschlaghammer dabeigehabt, der aus seinem Rucksack geragt sei. „Ich habe gefragt, was sie vorhaben. Sie sagten, sie wollen einen Lkw mit dem Hammer beschädigen“, schilderte der Mann. Von einem Brand sei nie die Rede gewesen. Umso größer sein Schock, als er vor dem Firmengelände auf den Täter wartete – und plötzlich Feuer und Rauch aufgehen sah.
"Nur ein kleines Rädchen"
„Sie haben einen Dodel gesucht, der dort hinfährt“, argumentierte Verteidiger Matthias Cernusca vor dem Schöffensenat. Sein Mandant sei lediglich ein kleines Rädchen in einem kriminellen Milieu gewesen, noch dazu sei er in einer finanziellen Abhängigkeit zu V. gestanden. Dieser sei nämlich nicht nur sein Schwager, sondern auch sein Arbeitgeber und Vermieter gewesen. Nachdem er dem Angeklagten seinen Lohn vorenthalten hatte, drohten dieser und seine Familie, ihre Wohnung zu verlieren – die Fahrt nach Himberg hätte mit einer Zahlung zwischen 2.000 und 3.000 Euro alle finanziellen Probleme gelöst.
„Haben Sie das Geld nach der Tat erhalten?“, wollte Richterin Lydia Rada vom Angeklagten wissen. „Nein“, schüttelt dieser den Kopf. Stattdessen wurde er im Februar festgenommen. Sein Schwager und der Täter ergriffen unmittelbar nach der Brandstiftung die Flucht, sie sollen sich derzeit in Bosnien aufhalten. Noch konnte die Justiz ihrer nicht habhaft werden, und auch die Zeugenaussagen konnten nur bedingt zur Klärung des Anklagepunktes beitragen. Denn V. dürfte, und das wurde bei den Aussagen immer deutlicher, ein gefürchteter Mann in dem Milieu sein. Ein Zeuge war erst gar nicht zur Verhandlung erschienen. „Er hat Angst“, wie der betroffene Firmenchef der Richterin mitteilte.
Der Schaden des Brandes lag laut Versicherung bei rund 800.000 Euro. 70 Feuerwehrleute waren stundenlang im Einsatz, um die entstandene Feuerbrunst zu löschen. „Der Angeklagte hat gesehen, dass es zu brennen begann, dass sich das Feuer ausbreiten wird. Dennoch hat er dem Täter zur Flucht verholfen“, sah die Staatsanwaltschaft den Tatbestand trotz aller Schilderungen des Angeklagten erfüllt.
Doch der Senat entschied anders: „Wir glauben Ihre Geschichte“, fasste Richterin Rada das Urteil zusammen. Ihm wurde eine Freiheitsstrafe von 13 Monaten auferlegt, vier davon unbedingt (nicht rechtskräftig). Nachdem der 37-Jährige aber bereits 8 Monate in U-Haft saß, wurde er gleich nach der Verhandlung enthaftet.
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