Knalleffekt um Heimschließungen
Es waren teilweise herzzerreißende Szenen, die sich Mittwochfrüh in drei Jugendheimen der Therapeutischen Gemeinschaft (TG) in Niederösterreich abgespielt haben. Kinder und Jugendliche weinten und wehrten sich vergeblich gegen eine Zwangsmaßnahme, die hoch oben im Büro des zuständigen Landesrates, Franz Schnabl (SPÖ) getroffen wurde. Der Politiker habe wegen erster Hinweise der gegründeten Sonderkommission eine sofortige Schließung der drei Heime in Jaidhof (Bezirk Krems), Ebenfurth (Bezirk Wiener Neustadt) und Sitzendorf an der Schmida (Bezirk Hollabrunn) wegen "Gefahr im Verzug" angeordnet. Alle 16 Kinder und Jugendliche wurden auf Landeseinrichtungen verteilt.
Entschuldigend
Weil Mitarbeiter der Abteilung Kinder- und Jugendhilfe des Landes bereits Dienstagabend die TG-Heimleitung über den drohenden Einmarsch informieren wollten, sei ihnen ein Disziplinarverfahren angedroht worden. Fast schon entschuldigend fielen die Beamten mit Unterstützung von Psychologen und begleitet von Polizisten um 7 Uhr Früh in den Heimen ein, um die Kinder wegzubringen. "Das was hier passiert ist nicht im Sinne des Kindeswohl", stößt es einem Landesmitarbeiter beim Lokalaugenschein des KURIER heraus. Es würde keinen Anlass für den Schnellschuss geben. Seit Wochen finden fast wöchentlich unangemeldete Überprüfungen der TG-Heime durch das Land statt. Bisher gab es keine Beanstandungen. Auch in den Jahren davor wurden laut Heimaufsicht der Landesregierung keine gröberen Missstände festgestellt.
Jener verantwortliche Ex-Zögling, der die Betreuungsvorwürfe gegen die TG-Heime im Dezember ins Rollen gebracht hatte, hat mittlerweile vor Polizei und Staatsanwaltschaft zugegeben, dass die Anschuldigungen "erstunken und erlogen" sind. Er habe sich vom rausgeworfenen Betreuer, Thomas L., dazu hinreißen lassen. Die Staatsanwaltschaft Krems überprüft in diesem Zusammenhang, ob ein Fall von Nötigung oder übler Nachrede vorliegt.
Befangenheit?
Besonders brisant erscheint in diesem Zusammenhang zuästzlich die Tatsache, dass die Leiterin der Sonderkommission, Familienanwältin Simone Metz, ausgerechnet Ex-Heimbetreuer Thomas L. zuvor anwaltlich vertreten hatte.
"Wir haben heute das Vertrauen in den Rechtsstaat verloren. Wir haben bis heute keinen Bericht der Sonderkommission gesehen und dann stürmt man einfach herein und bringt die Kinder weg", so TG-Gründer Hermann Radler und seine Frau Sonja. Die beiden stehen vor dem Scherbenhaufen ihrer Existenz. 50 ihrer Mitarbeiter droht nach den Heimschließungen nun die Kündigung.Im Schließungs-Bescheid geht es unter anderem um den Vorwurf, dass Minderjährige psychischer und Physischer Gewalt ausgesetzt werden. "Ich bin fassungslos. Das ist eine behördlich angeordnete Retraumatisierung der jungen Leute, denen es bei uns immer besser gegangen ist", beklagt Stefan Bauer, einer der Geschäftsführer der TG-Therapeutische Gemeinschaften.
Aus dem Büro des zuständigen Landesrates Schnabl heißt es dazu: "Aufgrund erster Hinweise durch die Arbeit der Sonderkommission werden derzeit notwendige Schritte gesetzt und weitere eingeleitet. Unsere ganze Aufmerksamkeit gilt dabei dem Kindeswohl." Mehr wollte man am Donnerstag bekannt geben.
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