Das Weingut Weinrieder in Kleinhadersdorf im nördlichen Weinviertel umfasst 20 Hektar Rebfläche auf Löss- und Lehmböden. Was dort wächst, verzückt die internationale Weinprominenz seit vielen Jahren. Weinrieders Produkte finden sich auf den Karten von Spitzenrestaurants rund um den Globus – vom „Spago“ in Beverly Hills bis zum mit drei Michelinsternen geadelten „The Fat Duck“ in Großbritannien. Rieslinge, aber längst nicht nur diese, aus Fritz Rieders Keller räumen regelmäßig höchste Auszeichnungen ab. Fachexperten geraten beim „Weinrieder“ regelrecht ins Schwärmen.
Fritz Rieders Passion für seine Reben ließ ihn schon bisher kleinste klimatische Veränderungen unmittelbar bemerken. Doch es war sein Sohn Lukas, der ihm die Augen geöffnet hat. „Er hat mich bekehrt, mich regelrecht in den A... getreten“, erzählt Fritz Rieder.
Lukas Rieder, Absolvent der Kremser Weinbauschule, macht sich schon länger Gedanken über den Klimawandel. „Wir spüren ihn. Fast jährlich gibt es Hagelgewitter und wir ernten früh sehr reife Trauben.“ Ungewöhnlich im Weinviertel, das weiß auch Vater Fritz: „Vor 50 Jahren erreichten Veltliner-Trauben im Weinviertel oft nur sehr schwer die nötige Qualitätsreife.“ Auch der Riesling wurde früher nur in Ausnahmejahren wirklich vollreif – und das manchmal erst im November oder Dezember.
„Ich denke auch an Pflanzenkrankheiten, die es vor 15 Jahren nur im Lehrbuch gab und die heutzutage eine jährliche Herausforderung darstellen“, sagt Lukas Rieder. Zunehmende Hitzeperioden wirken sich auf den Wasserhaushalt der Weinstöcke aus. Der Schutz vor Bodenerosion sei heute zwingendes Thema im Weingarten. Die Rieders haben reagiert, ihre gesamten Weingärten begrünt und setzen auf Düngung mit eigenem Kompost für den Humusaufbau. Auf Insektizide und Herbizide wird verzichtet.
Aber den Top-Winzern geht es längst nicht mehr nur um ihre Produkte. Die Profis wissen mit den Veränderungen umzugehen – und etwa durch ausgeklügelte Weingarten- und Kellerarbeit die Qualität ihrer Weine hoch zu halten. Die Zeitfenster für die Weinlese würden immer kleiner, weiß Fritz Rieder: „Speziell die teilweise sehr heißen Lesetage bedeuten in Zukunft sehr schnelle, selektive Lese in der Nacht.“
Viel wichtiger aber sei, dass die Veränderungen beim Wein die Gesellschaft insgesamt wachrütteln. Die Auswirkungen des Klimawandels seien ohne sofortige Gegenmaßnahmen weit schwerwiegender.
Fritz Rieder verweist auf die Rosenstöcke, die früher in jedem Weingarten gepflanzt waren und die Winzer vor Gefahr warnen sollten: „Die Rose bekommt die gleichen Krankheiten wie der Wein – nur früher.“ Ähnlich müssten die Veränderungen im Weinbau verstanden werden. Die Weinrebe sei eine Kulturpflanze, die auf klimatische Veränderungen sehr sensibel und nachhaltig reagiere. „Der Rebstock ist die Zeigerpflanze, die uns auf die klimatischen Konsequenzen unseres Handelns hinweist.“ Rieder ist überzeugt: „Wir rasen mit 180 Stundenkilometern auf einen Eisberg zu.“
Lukas Rieder appelliert im Speziellen auch an die Landwirte, von denen manche die Sensibilität für die Natur teilweise verloren hätten und durch diverse Förderprogramme daran erinnert werden müssten. Doch auch die Konsumenten, die mitunter mehr Geld für Autos und Smartphones ausgeben würden als für qualitativ hochwertige, regionale Lebensmittel, seien gefordert. „Aus meiner Sicht muss sich jeder Einzelne im Alltag Gedanken machen, wie er dazu beitragen kann, vielleicht die Welt doch noch zu retten.“
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