„Kinder kann man nicht normieren“
Kinder und Jugendliche, die in Betreuungszentren untergebracht werden, haben oft lange Leidenswege hinter sich. Mithilfe von Sozialpädagogen sollen sie den Weg zurück zu ihren Familien und damit in die Gesellschaft finden.
Eine wesentliche Rolle dabei spielen sozialtherapeutische Abteilungen (STA). Eben diese Versorgung scheint aber in Gefahr zu sein, wie mehrere Insider alarmiert dem KURIER berichteten. Von großer Sorge um die Qualität der Versorgung bis zur Kindeswohlgefährdung ist die Rede. Grund sei eine zu Jahresbeginn eingeführte Verordnung.
Größere Gruppen
Die Reform soll die Finanzierung in der Kinder- und Jugendhilfe für Landeseinrichtungen wie für private Träger transparenter machen. Gleiche Leistungen sollen gleich entlohnt werden, mit einer Übergangszeit bis Ende 2021 soll es mehr Vollzeitanstellungen sowie mehr „inklusive“ Gruppen gebe.
Das bedeutet insgesamt größere Gruppen und die Auflösung der STA. Die zuständige Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) erklärt dazu: „Hier kommt es für 2020 zu einer Qualitätssteigerung, indem der Personalschlüssel für die Gruppen angehoben wird.“ Zusätzlich würden Individualbetreuungszuschläge gewährt, wo diese notwendig sind.
Betroffene Sozialpädagogen haken hier ein. Bei der genannten Personalaufstockung fehle es an qualifizierten Fachkräften, Psychotherapeuten würden abgezogen, weil diese nur noch in der Individualbetreuung zum Einsatz kämen und Kinder würde unter den größeren Gruppen leiden.
Das führe dazu, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Psychotherapie in den Krankenhäusern vermehrt herangezogen werden müsse – sofern es Kapazitäten gibt. Die Folge sei ein Negativkreislauf ohne ausreichende Betreuung.
Keine Spezialangebote
Manfred Siebert, Leiter der sozialpädagogisch inklusiven Wohngruppe mit sozialtherapeutischem Schwerpunkt in Hinterbrühl verdeutlichte jüngst bei einer virtuellen Tagung des „Kindernetzwerkes“: „Man kann Wohnplätze und Kosten normieren; aber man kann Kinder und Jugendliche nicht normieren“.
Das neue Modell begrüße er zwar grundsätzlich, weil dadurch flächendeckend gleichwertige Plätze angeboten werden können. Die Problematik sieht er aber vor allem darin, dass keine Spezialangebote mehr berücksichtigt würden. Die Gruppengröße wachse von maximal sechs auf neun Plätze, wovon vier Betroffene einen höheren Betreuungsbedarf bekommen können.
Fehlender Übergang
Der veranschlagte Betrag für die jährliche Individualbetreuung (3.500 Euro) sei aber bei weitem nicht ausreichend.
Siebert: „Zu viele Kinder werden auf der Strecke bleiben, wenn sie zu hohen Förder- und Therapiebedarf haben, wenn ihr Bedarf über den der Individualbetreuung hinausgeht.“
Er kritisiert zudem den Umgang mit der Übergangsfrist: „Es ist schwierig, da die neuen Tagsätze bereits rückwirkend mit 1. 1. 2020 bezahlt werden. Dadurch entsteht ein enormer Kostendruck, der nicht die Zeit gibt, dass man sich orientiert.“ Das bedeutet, dass die STA’ bereits aufgelöst sind. Landesweit sind das 48 Plätze (acht Gruppen) und eine lange Warteliste.
Beim Land zeigt man sich um Lösungen bemüht. „Das Wichtigste ist das Wohl der Kinder, wir führen derzeit viele Gespräche dazu“, erklärte Königsberger-Ludwig auf Anfrage.
So konnte zumindest geklärt werden, dass bereits betreute Kinder weiter betreut werden können, und dass 16 STA-Plätze (drei Gruppen) weitergeführt werden. Für Siebert ist das ein Teil-Erfolg. „Der große Wurf ist es aber noch nicht.“
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