Jessica Lind: Ein Leben zwischen Literatur und Film

Von Benedikt Schweigl
Bereits in jungen Jahren wusste Jessica Lind, was sie später gerne einmal machen will – Geschichten erzählen. In Tagebüchern und Gedichten hielt sie ihre Gedanken fest und ließ ihrer Fantasie freien Lauf. So wurde ihr Talent bereits in der Volksschulzeit entdeckt und auch dementsprechend gefördert.
Im Haus der Familie in einem kleinen Ort im Umland von St. Pölten las und schrieb sie sehr viel. Die Faszination für den Film kam erst ein wenig später dazu, wie sie erzählt. „Meine drei Schwestern mussten immer bei meinen selbstentworfenen Theaterstücken mitspielen oder mich in meiner eingebildeten Rolle als Schauspielerin interviewen“, verrät Jessica Lind. Aus dem Elternhaus kam für die Wünsche der Kinder viel Unterstützung. „Uns wurde stets gesagt, dass wir unseren eigenen Weg finden sollen und dürfen.“
Der Vater, ein Schlosser, und die Mutter, eine Buchhalterin, hätten trotz ihrer bodenständigen Berufe stets eine kreative Ader gehabt und Lind auch beim Ausleben ihres Talents unterstützt. „Ich habe relativ früh an Literatur-Wettbewerben teilgenommen und war in diesem Sinne auf jeden Fall ehrgeizig“, erklärte Lind.
Der Durchbruch
Nach zahlreichen kleineren Auszeichnungen in ihrer Schulzeit gelang ihr der Durchbruch als Schriftstellerin 2015 mit dem Gewinn des „Open Mike“, eines internationalen deutschsprachigen Literaturpreises. Damals wäre sie bereits in Kontakt mit der Literatur-Agentur „Copywrite“ gewesen, die sie bis heute vertritt. Zuvor hatte sie bereits an verschiedenen Literaturinitiativen wie „Writer in Residence“ von ORF III und diversen Traineeships teilgenommen, mitunter wurde sie dabei sogar vom österreichischen Thriller-Autoren Bernhard Aichner betreut – dadurch entstand auch der Kontakt zur Agentur.
Dennoch gelang Lind nicht auf Anhieb der Sprung unter die Literaturschaffenden; als Drehbuchautorin konnte sie aufgrund ihres Bachelorstudiums „Medientechnik“ an der FH St. Pölten und ihres Masters „Buch und Dramaturgie“ an der Filmakademie Wien zunächst schneller Fuß fassen.
Mittlerweile genießt sie die Abwechslung, die ihre beiden Berufe ihr bieten. „Beim Film wird sehr viel im Team zusammengearbeitet und häufig stimmt man sich beim Drehbuch auch gegenseitig ab. Während man als Schriftstellerin doch sehr stark auf sich selbst angewiesen ist, eine Geschichte vorzubereiten und anschließend in einen stimmigen Handlungsstrang zu gießen“, betonte Lind, die 2019 mit dem Carl Mayer-Drehbuchpreis ausgezeichnet wurde.
Sci-Fi-Film „Rubikon“
Im September 2022 feierte das Projekt von Regisseurin Magdalena Lauritsch und Jessica Lind seinen Kinostart.
192 Seiten umfasst der erste Roman „Mama“ (2021) von Lind, bei dem sich – wie auch in anderen Werken der Autorin – ein Element der Unheimlichkeit in eine vermeintliche Familienidylle einschleicht.
Rückschläge überwinden
„Wer in der Film- und Literaturbranche anfangen will, braucht einen sehr langen Atem. Deshalb finde ich es unfassbar wichtig, sich nicht entmutigen zu lassen – Rückschläge wird es zwangsläufig geben“, richtete sich Jessica Lind an jene Leute, die einen ähnlichen Berufsweg einschlagen wollen. Sie selbst versuche, ihre Erfahrungen weiterzugeben; seit ungefähr einem Jahr unterrichtet Lind an der Filmakademie Wien und betreut die Studierenden vor Ort bei verschiedenen „kreativen Projekten“.
Dabei hat sie erst seit Kurzem den Eindruck, sich wirklich in der eigenen Branche etabliert zu haben. „Ich habe mittlerweile das Gefühl, endlich in meinem Beruf angekommen zu sein. Es gab eine Zeit, da war der finanzielle Druck immer im Hinterkopf, und es war mir unangenehm, mich überhaupt als Schriftstellerin und Drehbuchautorin vorzustellen“, schildert Lind ihre Erfahrungen. Insbesondere die Nominierung für den Österreichischen Buchpreis 2024 hätte ihr das Gefühl gegeben, in der Riege der heimischen Schriftsteller angekommen zu sein.
Grund für ihre Nominierung war das Buch „Kleine Monster“ (2024) – ein Thriller, der die ambivalente Beziehung zwischen einer Frau namens Pia und ihrem Sohn Luca als Folge eines Vorfalls in der Schule thematisiert. In dem Buch erkennt man ein wesentliches Stilmittel von Lind: Sie stellt gerne die Ambivalenz der unterschiedlichen Charaktere in den Vordergrund und greift dabei häufig aktuelle Gesellschaftsthemen auf.
Gut möglich, dass auch ihre zukünftigen Projekte eine ähnliche Handschrift tragen werden. Bereits in Arbeit seien ein noch titelloses Buch sowie das Drehbuch für einen Episodenfilm, an dem sie gemeinsam mit der Regisseurin Jessica Hausner tüftelt.
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