Jedes zweite Kind kann nicht schwimmen
Wenn sich Abdul Fakhouri auf sein gelbes Surfbrett wirft, mit den Armen kräftig durch das Wasser pflügt, dann geht es oft um Leben und Tod. Der gebürtige Syrer ist Mitglied der Wasserrettung Niederösterreich, Einsatzort ist das Seenparadies in der Landeshauptstadt St. Pölten. Schon mehrmals konnte der junge Helfer einen Menschen in letzter Sekunde das Leben retten.
Fakhouri und seine Kollegen im gesamten Bundesland waren im Jahr 2017 so gefordert wie noch nie: 51.500 Einsatzstunden und rund 500 Badeunfälle verzeichneten die Rettungsschwimmer in Niederösterreich. Das sei deutlich mehr als im Jahr davor, betont Präsident Markus Schimböck.
Dass die Frauen und Männer so oft ausrücken müssen, hat mehrere Gründe: Zum einen wagen sich immer mehr Menschen in fließende Gewässer wie die Donau oder Erlauf. „Flüsse bergen Untiefen, es gibt Strömungen und Walzen. Schlechte Schwimmer kann dies schnell überfordern, oder bei ihnen gar Panik auslösen“, berichtet der Experte.
Was den Rettungsschwimmern aber noch mehr Sorge bereitet, ist der Umstand, dass unter den Opfern immer öfter Kinder und Jugendliche sind. „Leider ist es so, dass jedes zweite Kind nicht schwimmen kann. Denn schwimmen zu können, heißt nicht, sich nur über Wasser halten zu können“, gibt der Retter zu bedenken.
Deshalb haben die Freiwilligen auch eine Debatte angestoßen, die für Diskussionsstoff sorgt: Sie würden sich einen verpflichtenden Schwimmunterricht für Kinder wünschen. Zwar gibt es schon ab der dritten Volksschulklasse Trainings, Schimböck kommt dies aber zu spät. „Es wäre sinnvoll, wenn schon ab dem 3. oder 4. Lebensjahr Kurse stattfinden würden.“
Zu wenig Bäder
Das Problem ist, dass oft einfach die notwendige Infrastruktur fehlt, um jungen Menschen das Schwimmen beizubringen. Gesundheits-Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) kann davon aus eigener Erfahrung berichten.
„Im gesamten Bezirk Amstetten gibt es nur ein Hallenbad. Da tun sich schon die Schulen schwer, überhaupt Termine zu bekommen“, erzählt sie. Ihr Vorschlag: Auch der Bund sollte bei diesem Thema in die Pflicht genommen werden. „Für viele Gemeinden ist die Erhaltung von Bädern finanziell nur schwierig zu meistern. Zuschüsse würden da helfen.“
Zumindest jene, die in den Sommermonaten an den Seen und Flüssen für Sicherheit sorgen, dürfen sich über etwas mehr finanzielle Unterstützung freuen. Das Land NÖ hat einen eigenen Posten für besondere Rettungsdienste geschaffen. 60.000 Euro sind im Budget nun dafür festgelegt.
Badeunfälle
Laut dem Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) ertrinken in Österreich durchschnittlich drei bis fünf Kinder pro Jahr. Im Zeitraum von 2007 bis 2017 waren es mehr als 40 Kinder unter 15 Jahren, die nicht mehr rechtzeitig gerettet werden konnten. Sicherheitstipps sind unter www.kfv.at zu finden.
Kommentare