„Ja, es wird mir abgehen“

„Ja, es wird mir abgehen“
Eine der ältesten Unternehmerfamilien des Landes gibt mit ihrer Fleischerei das Lebenswerk weiter.

Leise liest Robert Geppel aus der Familienchronik vor. Lässt mit sanfter Stimme mehr als 100 Jahre Geschichte Revue passieren. Hält da und dort inne und schaut zu seiner Frau Marianne, die mit ihm am Esstisch sitzt. Sie zerdrückt zwei, drei kleine Tränen. Abschiedsschmerz mischt sich mit der Zuversicht, das Richtige getan zu haben. Mit Marianne und Robert Geppel tritt eine der ältesten Unternehmerfamilien des Landes ab.

Die Fleischerei Hörlesberger am heutigen Europaplatz 4 in Loosdorf ist seit 1911 tragende Säule der Nahversorgung im Melker Bezirk. Unzählige Auszeichnungen – viele davon in Gold – bei internationalen Wettbewerben belegen die herausragende Qualität der angebotenen Fleisch- und Wurstwaren. Die Kunden, darunter zahlreiche Wirte der Region, vertrauen fest auf „ihren“ Hörlesberger.

107 Jahre Tradition

1988 übernahm Marianne Geppel den Betrieb nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters Johann Hörlesberger. Der wiederum hatte 1949 seinen Vater als Firmenchef abgelöst. Und nun, nach 107 Jahren, wird Marianne Geppel den Familienbetrieb in andere Hände legen.

„Es ist die zweitbeste Lösung“, feixt Robert Geppel. „Die beste wäre, ewig weiterzuarbeiten.“ Und fügt leise hinzu: „Aber das geht ja nicht.“ Den 31. Oktober hatten sich die beiden als Deadline gesetzt. „Wir wollten nicht noch einmal den Stress im Weihnachtsgeschäft, man schafft es einfach nicht mehr so“, beschreibt Marianne Geppel ihre Beweggründe. Die beiden Söhne Thomas und Michael haben beruflich längst anderweitig Karriere gemacht, so blieb nur das Zusperren – oder die Übergabe.

Mit dem jungen Hannes Schönbichler, selbst erfolgreicher Fleischer im benachbarten Mank, war nach langer Suche der richtige Partner gefunden. „Nach nur drei Gesprächen war alles geklärt“, freut sich Robert Geppel.

Dankesfest

Am 27. Oktober haben die Geppels noch einmal alle Kunden zum großen Dankesfest eingeladen, am 8. November sperrt der Nachfolger wieder auf. Und zwar unter dem alten Hausnamen „Hörlesberger“, was Marianne Geppel ganz besonders freut.

So vieles hat sie im Betrieb erlebt – gute Zeiten und schlechtere. „Der Fleischkonsum ist in jedem Fall zurückgegangen. Haben wir früher 20 Schweine in der Woche geschlachtet, sind es heute nur mehr acht oder neun. Dafür sind die Kunden wieder stark an regionalen Produkten interessiert, auch die Jungen schätzen es wieder.“ Die Gewissheit, dass nur Fleisch von Bauern der Umgebung verarbeitet wird, hat den Geppels geholfen, Krisenzeiten wie jene des Rinderwahns rasch zu überwinden.

„Wir haben immer treue Kundschaften gehabt“, erinnert sich die Chefin und lässt ihren Blick durchs gemütliche Geschäft wandern. Hängen bleibt er auf zwei kleinen Kinderstühlen, die zum Inventar gehören. Auch der Autor dieser Zeilen hat dort vor Jahrzehnten seine Extrawurst geschmaust. Marianne Geppel seufzt versonnen: „Ja, es wird mir abgehen.“

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