In Zeiten des Fachkräftemangels sind Lehrlinge Gold wert
Für Thomas Liebenauer geht es um Millimeter. Der 20-Jährige Fliesenleger aus Zwettl werkt hochkonzentriert. Er hat keinen Blick für die Hunderten Augenpaare, die seine Arbeit mit mehr oder weniger scharfem Kennerblick begutachten. Nicht für die hektischen Handgriffe zu seiner Linken und Rechten. Thomas Liebenauer zaubert weit weg von daheim ein Fliesen-Kunstwerk. Er ist einer von mehr als 1000 Teilnehmern an den World Skills – den Meisterschaften der weltbesten Lehrlinge – im deutschen Leipzig. Teilnehmer aus 67 Länder kämpften am Wochenende in rund 50 Berufen um Medaillen. Ein starkes Signal in Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels.
Import von Lehrlingen
Keine 150 Kilometer von Leipzig entfernt hat die düstere Zukunft der fehlenden Facharbeiter längst begonnen. Die Industrie und Handelskammer Erfurt muss Thüringer Unternehmen nicht nur Fachkräfte, sondern sogar Lehrlinge aus dem Ausland vermitteln. Jugendliche, angeworben in Polen und Ungarn, füllen verwaiste Lehrplätze. Abwanderung und Schulabgänger-Schwund treffen die strukturschwächere Region im Osten Deutschlands hart.
„So weit sind wir zum Glück noch nicht“, stellt die Präsidentin der Wirtschaftskammer NÖ, Sonja Zwazl, bei ihrem Besuch in Deutschland fest. Damit es nicht soweit kommt, rührt sie weiter die Werbetrommel für die Lehre. Die Initiativen der WKNÖ sind dabei vielfältig. Mit dem mittlerweile im ganzen Bundesland angebotenen „Begabungskompass“ (www.begabungskompass.at) – lotet die Kammer in Kooperation mit der Landesakademie die Talente von Schülern der Haupt- und Neuen Mittelschulen sowie der AHS aus. Für schwächere Lehr-Einsteiger gibt es gratis Nachhilfe und wird sogar tiergestützte Ausbildung angeboten.
Dass die Leistungen der nö. Lehrlinge sich sehen lassen können, zeigen die Berufswelt- und -europameisterschaften. Immer wieder finden sie sich dort ganz vorne. Das weiß auch Liebenauers Betreuer Rudolf Weisz. Der Fliesenlegermeister aus Neufeld/Leitha hat bereits Dutzende junge Facharbeiter bei World und Euro Skills rund um den Globus begleitet. „Unsere schlechteste Platzierung war Vierter“, grinst er. Auch diesmal kann er mit seinem Schützling jubeln: Am Sonntagabend baumelte um Thomas Liebenauers Hals die verdiente Goldmedaille.
„Es ist großartig was unsere Jugend leistet. Meine Hochachtung“, sagt Zwazl. Und sie hat einen Traum: „Wenn unsere duale Ausbildung europaweit schon so gelobt wird, könnten wir doch Euro Skills auch einmal in Österreich abhalten.“ Das wäre – die Zustimmung aus Österreich vorausgesetzt – aber frühestens 2020 möglich.
Mehr zu den World Skills lesen sie am Samstag im Karriere-KURIER und unter Gold und Silber für Österreichs Köche und Maler
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