Im Wiener "Speckgürtel" wird es eng: Was können Gemeinden tun?

Mödling. Symbolbild
Von „Bauwut“ ist die Rede, von „Betoniererzeiten“. In Perchtoldsdorf (Bezirk Mödling) gibt es kaum ein Bauprojekt, das nicht von heftiger Kritik begleitet wird. Wohnbauten am Areal eines alten Heurigen sorgten ebenso für Protest wie Änderungen des Bebauungsplans, der Nachverdichtung ermöglichen soll. Viele Bürger haben das Gefühl: Es ist genug.
Der Siedlungsdruck rund um Wien hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Die Bevölkerung im Bezirk Bruck/Leitha ist seit der Jahrtausendwende etwa um 31,3 Prozent gewachsen, der Bezirk Tulln um 22,8 Prozent. Und es wird noch enger. Der Bezirk Gänserndorf könnte bis 2050 um 23 Prozent zulegen.
Vor allem im Süden Wiens ist der Platz seit Jahren eng. Dort wurden Baulücken geschlossen und in Ortszentren nachverdichtet. Oft stehen nun auf Grundstücken, die früher ein Einfamilienhaus samt Garten beherbergt haben, Bauten mit mehreren Wohnungen. Nicht ohne Folgen für den Ortscharakter. „Die Gemeinden müssen durchleuchten, ob Zuzug noch wünschenswert ist“, sagt Raumplanerin Gerlind Weber. Und: „Es braucht raumplanerische Eingriffe.“ Die Bewohner so mancher Orte würden sich mittlerweile überfordert fühlen. „Nachverdichten ist gut.“ Aber häufig würden die Entscheidungsgrundlagen fehlen, die festlegen, wo man das noch könne. Es bestehe die Gefahr, dass die Gemeinden ihr regionales Flair verlieren. „Die Orte werden ihrer Identität beraubt. Wir werden ein gesichtsloser Raum.“ Generell betont sie, dass mehr regionale Planung benötigt werde.
Steuerung
In diese Kerbe schlägt das Land NÖ. Seit 2022 etwa dürfen Betriebsgebiete ab zwei Hektar Größe nur mehr interkommunal errichtet werden. Auch Siedlungsgrenzen legt das Land im Rahmen übergeordneter Raumplanung fest.
Viele Maßnahmen wirken. Neuwidmungen sind zurückgegangen, ebenso wie die Zahl der Baulücken. Das bedeutet, dass die Zentren stärker wachsen als die Ortsränder. Künftig soll auch die Sanierung von alten Häusern einfacher werden.
Doch was gut im Kampf gegen die Zersiedelung ist, sorgt für innerörtliche Diskussionen. Damit die Gemeinden bei der Nachverdichtung nicht überfordert werden, können sie je nach Widmung die Zahl der Wohneinheiten beschränken, obwohl die Bebauungsbestimmungen mehr erlauben würden.
Orte ohne Zuzug?
Dennoch: Laut Weber wollen nach wie vor viele Gemeinden wegen der Ertragsanteile nicht auf Zuzug und Bautätigkeiten verzichten. Hohe Bodenpreise hätten die Entwicklung verschärft – oft dank guter Vernetzung der Bau- mit den politischen Entscheidungsträgern, moniert die Expertin.
„Ein gewisses Wachstum oder ein gewisser Austausch ist schon ganz wichtig, damit die Stadt lebendig bleibt“, betont allerdings Mödlings Vizebürgermeister Rainer Praschak (Grüne). In der Stadt wurde in den vergangenen Jahren ein neues Viertel mit rund 270 Wohnungen errichtet. Grundsätzlich habe die Gemeinde aber ihre Grenze erreicht, so Praschak. Der Fokus liege nun auf leistbarem Wohnraum.
In den Wachstumsregionen nördlich von Wien wappnen sich die Kommunen bereits seit einiger Zeit für den kommenden Zuzug. In Tulln ist Stadtchef Peter Eisenschenk (ÖVP) schon vor Jahren auf die Bremse getreten. Das Ziel ist ein Wachstum von lediglich 0,5 Prozent pro Jahr. Auch er betont: „Langsames Wachstum heißt nicht unbedingt Stopp des Wohnbaus.“ Auch in Tulln will man auf junges Wohnen setzen. Da man im Entwicklungskonzept festgelegt hat, nicht mehr in die Breite wachsen zu wollen, habe es im Ort mehr Bautätigkeit gegeben, so Eisenschenk. Als Reaktion wurden Zonen für Nachverdichtung festgelegt und – wo möglich – Wohneinheiten begrenzt.
Aktive Stadtplanung
Auch in der Stadt Gänserndorf – der Bezirk ist mit prognostizierten 23 Prozent Wachstum ein Hot-Spot in NÖ – will man die Dynamik begrenzen. So wurde die Flächenwidmung überarbeitet und Bauland in Aufschließungszonen rückgewidmet. Aktuell setzt die Stadt auf Verdichtung in den Zentren. Großprojekte sollen kaum möglich sein und Bauträger werden verpflichtet, Freiräume nach gewissen Kriterien zu gestalten. Das Wachstum, meint Bürgermeister René Lobner, (ÖVP) betrage unter 10 Prozent.
Einig sind sich Experten und Kommunen, dass die Städte künftig mehr kooperieren und selber in Sachen Stadtplanung aktiv werden müssen – bis hin zu Immobilienkäufen, um kommunale Interessen durchzusetzen. Das alles im Interesse der Lebensqualität.
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