Hochbegabte: Schlaue Schüler unterrichten schlaue Schüler
Es wuselt im Computerraum der Rudolf Scheicher-Volksschule in Wiener Neustadt. Die Kinder drängen ins Zimmer. "Da nimm dir einen Sessel", sagt Lehrer Markus Scherz. Unter seiner Anleitung gruppieren sich die Schüler um Tische. "Girlboss", steht am T-Shirt eines Mädchens, "Superman", auf dem ihres Schulkollegen.
Der Schriftzug ist auch gleich Programm, denn bei den Volksschülern handelt es sich um 22 Hochbegabte, die nun zwei Stunden lang von elf ebenfalls hochbegabten Gymnasiasten des BRG Gröhrmühlgasse unterrichtet werden. Mathematik, Knobelaufgaben und sogar Robotik samt einfachem Programmieren stehen auf dem Programm.
Das Mentoring-Programm ist einzigartig in Österreich. "Die Idee ist, dass wir versuchen für die Begabtenförderung mehr zu tun, erklärt Projektleiter Gerald Stachl von der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich. Als Vorbild diente ein ähnliches Projekt aus Deutschland. Der Gedanke dahinter: Viel zu lange sei mit Förderungen nur auf schwache Schüler abgezielt worden, während man Begabungen brach liegen ließ. Als "Durchschnittsfalle" bezeichnet das der nö. Landesschulratspräsident Johann Heuras.
Vielfach seien die Kinder dann störend im Unterricht aufgefallen, sagt Stachl. Weil sie sich langweilten. Das Projekt läuft derzeit in zwei Wiener Neustädter Volksschulen und soll ausgeweitet werden. "Die Großen wiederum profitieren durch eine Stärkung ihrer Sozialkompetenz", berichtet Stachl. Generell sind rund zwei Prozent der Bevölkerung hochbegabt, haben einen Intelligenzquotienten von mehr als 130. "Wir legen aber das Augenmerk auf die oberen zehn bis 15 Prozent, weil sich da herausragende Talente hervortun können."
Die Schüler selbst sind schon ganz in Kryptogramme vertieft, während der achtjährige Gergely die neuen Bodenroboter programmiert. Bee-Bots heißen sie, wie kleine Bienen. Gergeleys kleiner Roboter soll nun gewisse geometrische Formen anfahren, andere auslassen. Auf einem kleinen Tablett gibt der Bub die Richtungen vor.
"Das fördert das räumliche und logische Denken", erklärt Direktorin Sandra Reich. Gergeley macht es vor allem Spaß. "Die Schere zwischen dem, was die Kinder von zu Hause mitbringen wird immer größer", erklärt Reich.
Manche können schon in der Volksschule hervorragend rechnen, wie Gergeley. "Wenn ich kann, will ich Physiker werden", sagt der Achtjährige. Wie sein Vater. Der Unterricht mit den Großen mag er. Was besonders? "Versteckte Wörter herausfinden, rechnen. Solche geilen Sachen.". Im normalen Unterricht fehle ihm das. Manchmal sei er beim Lösen von Aufgaben schneller fertig, als die Schulkollegen. "Da ist mir bissi fad. Aber dann stelle ich mir selbst Rechnungen im Kopf."
Die elf Mentoren wechseln wöchentlich zwischen der Rudolf Scheicher- und der Pestalozzi-Volksschule. Am Anfang hätte man bei den Gymnasiasten schon die Unsicherheit gemerkt, das habe sich aber gelegt, sagt Projektleiter Stachl. "Der Zuwachs an Sozialkompetenz ist beachtlich", ergänzt die Volksschul-Direktorin.
Tatsächlich folgen die Kinder Daniel Stachl aufs Wort. Souverän zeigt er ihnen, wie man einen Rubikwürfel oder Kryptogramme löst. "Da geht es viel ums Probieren", sagt der Fünftklässler. Den Rubikwürfel setze er zur Auflockerung des Unterrichts ein. Dass die Kinder das brauchen, habe er rasch bemerkt.
"Man lernt selbst, besser zu erklären", berichtet die 14-jährige Ines Klara Berger. "Wenn man Lehrer werden will, ist das ein enormer Vorteil. Und die Kinder sehen dich jedenfalls als Vorbild."
Den Unterricht, den die Mentoren verpassen, müssen sie selbstständig nachholen.
Wer sich von den Volksschülern für das Projekt eignet, entscheiden die speziell geschulten Lehrer. "Sie dürfen ja nichts verpassen, was im Regelunterreicht passiert", sagt Stachl. Nicht nur gute Noten sind ausschlaggebend, sondern auch die persönliche Reife. "Die Kinder müssen sich selbst organisieren und selbstständig arbeiten", sagt Lehrerin Ursula Bohusch. "Das ist eigentlich nicht altersadäquat."
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