Heidi Wastl: Seit 10 Jahren verschwunden

Heidi Wastl: Seit 10 Jahren verschwunden
Im Kriminalfall Heidi Wastl fordern der Ehemann und auch die Familie, dass die Causa neu aufgerollt wird. Es seien zu viele Pannen geschehen.

Hallo Pauli. Ich hab` dich lieb. Der Herr W. kommt und misst die letzte Stiege aus. Bussi Pauli." Das waren die letzten Worte, die Paul Wastl von seiner Ehefrau Heidrun Wastl gehört hat. Auf der Mobilbox am 28. September 2001. Seit damals ist die Kindergartenhelferin aus Wiener Neustadt verschwunden - wie vom Erdboden verschluckt. Bis heute gibt es kein Lebenszeichen der damals 38-jährigen Ehefrau und Mutter eines damals sechsjährigen Buben. Alle polizeilichen Ermittlungen in dem Kriminalfall verliefen im Sand. Von den Verwandten gibt es herbe Kritik an der Polizeiarbeit, die deutliche Pannen aufweist. Alle treten für eine Wiederaufnahme des Verfahrens ein.

Ende September jährt sich der Tag des Verschwindens zum zehnten Mal. Zehn Jahre, in denen nichts passiert ist, was zur Aufklärung des Kriminalrätsels hätte führen können. Nicht der klitzekleinste Hinweis auf Heidi Wastl langte ein. Dabei hatte die Polizei viele Möglichkeiten. Das Gericht bewilligte sogar eine telefonische "Rasterfahndung".

Was war genau passiert an dem 28. September 2001? Heidi Wastl hatte ihren Sohn wie so oft vom Wohnhaus in Wiener Neustadt nach Neudörfl (Bgld.) in den Kindergarten gebracht. Dann fuhr die Burgenländerin wieder nach Hause, bügelte und räumte die Waschmaschine ein. Gegen zehn Uhr rief sie ihren Mann an, um ihm mitzuteilen, dass sich der Tischler Erich W. angekündigt hatte. Weil Paul Wastl am Sportplatz gerade mit einer Flex arbeitete, hörte er das Telefon nicht. Seine Frau hinterließ ihm die im Polizeiakt protokollierte Nachricht. Diese hörte Wastl erst in einer Pause. Und wurde skeptisch. "Der hat mir Geld geschuldet, weil er schon seit Monaten die Stiegen nicht gemacht hat. Warum hätte er also an dem Tag
kommen sollen?", sagt Wastl. Als dann auch noch ein Anruf vom Kindergarten kam, dass sein Sohn nicht abgeholt wurde, brannten bei Paul Wastl die Sicherungen durch. "Ich bin sofort nach Hause, aber Heidi war nirgends". Ihr Auto stand unangetastet in der Garage. Die Geldbörse mitsamt allen Ausweisen lag zu Hause auf der Kommode. Auch der Reisepass war da, es fehlte kein Bargeld, kein Sparbuch, einfach nichts.

Heidi Wastl: Seit 10 Jahren verschwunden

Paul Wastl ging zur Polizei und bat um Hilfe. Anfänglich wollte man ihm klar machen, dass ihn seine Frau womöglich verlassen hatte. Insgeheim weiß der 52-Jährige, dass es nicht so war. "Heidi hätte nie ihren Sohn alleine gelassen. Er war ihr ein und alles", sagte Wastl wenige Tage später im Interview. Auch heute noch befürchtet der Ehemann viel eher ein Verbrechen. Nachdem Wastl selbst lange Zeit im Fokus der Ermittlungen gestanden war, konzentrierte sich die Polizei auch auf die zwielichtige Rolle des Erich W..

Stundenlang wurde der Tischler zum Verschwinden der Frau befragt. Es gab viele Indizien, aber die Polizei fand keinen Sachbeweis gegen den Mann. Als Tage später ein in Handschrift geschriebener Abschiedsbrief im Postkasten des Wohnhauses lag, erschien die Causa in einem anderen Licht. Hatte sich die Frau doch freiwillig abgesetzt? Ein Jahr verging. Erst dann war der ominöse Briefschreiber enttarnt. Es war der ominöse Stiegen-Tischler W.. Er hatte selbst die Zeilen verfasst. Um von sich abzulenken, sagte er. Doch wieder musste die Polizei den Mann mangels Beweisen laufen lassen. "Es ist absurd. Es sind so viele Fehler passiert", sagt Wastl heute.

Auch die Eltern von Heidi sind davon überzeugt, dass die Ermittlungsarbeiten rund um das Verschwinden der Frau alles andere als ein Ruhmesblatt für die Polizeiarbeit waren. Und selbst aus Polizeikreisen mehren sich die Stimmen, dass der Fall völlig neu aufgearbeitet werden müsste. "Es gibt so viele offene Fragen, von denen wir den Eindruck haben, dass man gar nie nach einer Antwort gesucht hat. Man hat uns lange mit der These abgespeist, die Heidi sei mit einem Mann durchgebrannt", erzählt ihre Mutter.

Die Polizei habe sich seit Jahren nicht mehr bei den Eltern gemeldet und sie über den Ermittlungsstand informiert. Jetzt, nach zehn Jahren, wo Heidi per Gesetz für tot erklärt werden könnte, haben die Eltern Angst, dass sich dann gar niemand mehr für den Fall interessieren könnte.

Nach dem Verschwinden seiner Frau stand Paul Wastl mit dem Buben alleine da. Ein Haufen Probleme brachen über die Beiden herein. Wastl nahm das Leben in die Hand, arbeitete viel und zog den Buben alleine groß. Er war Mutter und Vater zugleich. Der Spagat gelang. "Wir hatten auch gute Unterstützung", sagt Wastl. Er wurde viel von seinem heranwachsenden Sohn gefragt. "Glauben Sie mir, das Schlimmste ist, wenn man keine Antworten geben kann, weil man keine hat." Die Beiden haben mit der irrationalen Situation leben gelernt. Aber für Paul Wastl vergeht kein Tag, an dem er nicht an seine Frau denkt. Und an die Umstände, die zu ihrem Verschwinden geführt haben. Dann sieht er Parallelen zum Fall Kampusch und zu Julia Kührer. "Vielleicht ist sie auch entführt worden, wer weiß und ist irgendwo eingesperrt?", hinterfragt Wastl die Causa. "Oder jemand hat sie umgebracht?"
Am Schlimmsten sei es, mit der Ungewissheit fertig zu werden. "Irgendwann muss es einen Abschluss geben. So oder so", sagt Wastl. "In Gedanken lass` ich sie aber leben." Den schlichten Ehering hat der Familienvater mittlerweile abgestreift und in die Lade gelegt. "Ich trage sie hier im Herzen", sagt Wastl.

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