"Haben uns nie zufriedengegeben"
Rasha Maksoud betritt die Bühne. Sie lächelt. Jubel, stolze Blicke, tosender Applaus. Etwas verlegen nimmt die 28-Jährige ihr Zertifikat entgegen, schüttelt Hände und stellt sich zu Hannaa, Mortada und ihren anderen Kollegen. Kollegen, die Freunde geworden sind. Sechs Flüchtlinge erhalten hier, im Pfarrheim in Perchtoldsdorf, ihr deutsches Sprachdiplom – alle mit gutem oder sehr gutem Erfolg.
Rasha Maksoud ist 28 Jahre alt. Seit Juli ist die junge Frau in Österreich. Sie ist alleine aus Syrien geflohen. Der Großteil ihrer Familie ist tot oder wurde von der Terrormiliz IS verhaftet. Ihre Mutter und ihr Bruder sind noch am Leben, haben aber nicht genug Geld, um zu fliehen. Das erzählt die 28-jährige Frau auf Deutsch – nach nur knapp fünf Monaten Unterricht. Heute kann Rasha lächeln: "Ich bin glücklich hier. Ich komme jeden Tag zum Deutschkurs. Die Menschen helfen mir immer."
Rasche Integration
Die rasche Integration, die täglichen Deutsch-Stunden und die liebevolle Betreuung ermöglicht das Flüchtlingsnetzwerk Perchtoldsdorf. Mittlerweile ist es ein Jahr her, dass Inge Schedler Informations-Flyer zur Initiative in der Kirche verteilt hat. "Wir können doch nicht frohe Weihnachten verbringen, ohne etwas zu tun", sagte die Initiatorin damals. Heute resümiert Schedler: "Wir haben natürlich gehofft, dass es etwas bringt, aber vom Ausmaß sind wir schon sehr positiv überrascht."
Die Zahlen sprechen für sich: 30 private Wohneinheiten, 108 untergebrachte Flüchtlinge, mehr als 120 Unterstützer. "Wir sind aktiv, haben viel über persönliche Kontakte gemacht, viel informiert und haben uns vor allem nie zufrieden gegeben", erzählt Schedler. "Wir schauen immer, was noch möglich ist. Die Idee treibt uns an." Und das alles ehrenamtlich. Familienbetreuer sind die ersten Ansprechpartner für die Flüchtlinge, 40 Personen bringen den Menschen täglich die deutsche Sprache näher – in acht Gruppen mit vier Leistungsniveaus.
Gemeinsam feiern
Zusätzlich wurde das Lerncafé gegründet, wo sich Menschen aller Altersklassen am Nachmittag treffen können. Dort wird das Gelernte intensiviert und es werden Kontakte geknüpft. "Es ist mittlerweile eine sehr nette Community", erzählt Schedler vom Alltag in Perchtoldsdorf: "Oft ist es nach dem Kurs noch so, dass man sitzen bleibt und zusammen feiert, wenn zum Beispiel jemand einen positiven Asylbescheid bekommen hat."
Wichtig ist der Initiative die Integration vom ersten Tag an. "Die Flüchtlinge können sofort die Deutsch-Kurse besuchen und bekommen sofort eine Betreuungsperson", erzählt Nadja Lehner. Für die Freiwilligen bedeutet das Arbeit rund um die Uhr – neben Familie, Beruf und eigenem Leben. "Wir sind nicht nur für die Flüchtlinge da, sondern auch für die Ehrenamtlichen", schildert Doris Fischer-See, "da bleibt die eigene Familie schon fast auf der Strecke." Nach einem Jahr geht das an die Substanz. "Es ist schwierig, aber aus irgendeinem Grund spüren wir die Schwere nicht. Es wird einem so viel Kraft gegeben, so viel Motivation", schildert Schedler.
Gewinn für beide Seiten
Eine Initiative, von der nicht nur die Flüchtlinge profitieren. "Ich habe so viele Menschen kennengelernt, dass ich mich jetzt selbst besser in den Ort integriert fühle", erzählt Lehner, "man lernt sehr viel über andere Kulturen, aber auch über die eigene. Zum Beispiel, wenn man erklären muss, warum der Adventkranz rund ist und vier Kerzen hat."
Trotzdem Schedler und ihre Kollegen bis jetzt alles alleine geschafft haben, wünschen sie sich für 2016 Unterstützung, vor allem finanziell. Langfristig wäre es nicht möglich, die gesamte Arbeit auf ehrenamtlicher Basis zu führen. Außerdem sei eine Ansprechperson auf der BH Mödling notwendig.
Für das neue Jahr hat die Initiative viel vor. Beschäftigung der anerkannten Flüchtlinge und Vernetzung mit anderen Gemeinden sind die großen Themen. Damit neben Rasha, Hannaa und Mortada noch viele weitere Menschen eine Chance auf ein neues Leben erhalten – auf ein Leben in Frieden.
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