Grünes Licht: Wiener Neustadt verkauft seine Gemeindebauten

2.200 Gemeindewohnungen in Wiener Neustadt verursachen jährlich vier Millionen Euro Verlust
Verkauf von 75 Prozent des Immobilienbestandes der Stadt am Dienstag mehrheitlich beschlossen. Nur 600 Wohnungen bleiben in öffentlicher Hand.

Die Causa drohte zur Zerreißprobe für die bunte Stadtregierung zu werden. Der Verkauf der Wiener Neustädter Gemeindewohnungen, der seit Monaten von einem Expertengremium unter Beteiligung von ÖVP, SPÖ und FPÖ akribisch vorbereitet wurde, stand am Dienstag auf der Tagesordnung des Wiener Neustädter Gemeinderates.

Kurz vor der Sitzung war bekannt geworden, dass nicht nur die Grünen den Verkauf klar ablehnen. Überraschend kündigten auch SPÖ und die FPÖ an, mit den Plänen in Sachen Gemeindewohnungen (doch) nicht auf einer Linie mit der ÖVP zu sein.

Mit umso größerer Spannung wurde die Sitzung Dienstagabend erwartet. Es kam zu einer geheimen Stimmzettelwahl im nicht öffentlichen Teil. Entgegen der Ankündigung von SPÖ und FPÖ wurde doch mehrheitlich für den Verkauf von fast 1.600 Gemeindewohnungen und Geschäftslokalen gestimmt.

Bekenntnis zu kommunalem Wohnbau

Die Entscheidung zeugt von "hohem Niveau und demokratischer Reife“, war ÖVP-Bürgermeister Klaus Schneeberger nach der Abstimmung erleichtert. Mit der Entscheidung bekenne sich die Stadt eindeutig zum sozialen, kommunalen Wohnbau. "Denn nur so geben wir den Mietern die Sicherheit, nicht im Stich gelassen zu werden. Es ist die Basis für eine stabile finanzielle Zukunft der Stadt“, erklärte Schneeberger.

Durch das österreichische Mietrechtsgesetz geschützt

Die wichtigste Botschaft an die Mieter: "Sie sind alle durch das österreichische Mietrechtsgesetz geschützt“ und hätten durch den Verkauf der Objekte nichts zu befürchten, heißt es vonseiten der ÖVP.

Die 2.192 Gemeindewohnungen und ein paar Geschäfte hatten sich zuletzt zum Millionengrab für die Stadt entwickelt. 2007 waren die Wohnungen von der SPÖ-Vorgängerregierung für 81 Millionen Euro am Papier in die stadteigene Tochtergesellschaft IFP (Immobilien Freizeit Parken) ausgelagert worden.

Vier Millionen Euro jährliches Minus

Es wurde aber verabsäumt, das Geld in dringend notwendige Sanierungen in die teils maroden Bauten zu stecken, so Schneeberger. Deshalb habe sich ein mächtiger Investitionsrückstau gebildet. Gut 500 der 2.192 Wohnungen sind heute unbewohnt und bringen daher keinerlei Mieteinnahmen. Vier Millionen Euro beträgt das jährliche Minus und im Jahr 2034 wird ein endfälliger Kredit in der Höhe von 53 Millionen Euro schlagend.

Klaus Schneeberger und die ÖVP verkündeten Dienstagabend den Verkauf der Gemeindewohnungen

Klaus Schneeberger und die ÖVP verkündeten Dienstagabend den Verkauf der Gemeindewohnungen.

Sozialwohnungen für Härtefälle

Mit dem Beschluss von Dienstag erhält die IFP die Vollmacht, einen Prozess zu starten und für 22 Objekte in 18 Monaten am freien Markt im Zuge von Bieterverfahren Käufer zu finden. Das Verfahren wird von CBRE Österreich, einem Experten für Immobilientransaktionen, begleitet. Etwa 25 Prozent des Wohnungsbestandes, also 610 Einheiten, bleiben im Eigentum der Stadt.

"Es wird weiterhin einen Pool an Sozialwohnungen für Härtefälle und Menschen in Not geben“, verspricht Schneeberger.

Mit dem Verkaufserlös soll das offene Darlehen der IFP getilgt und wichtige Investitionen in die verbleibenden Objekte getätigt werden. Durch die Tilgung der Schulden werde das Budget der Stadt nachhaltig entlastet und die Finanzsituation der Kommune für künftige Generationen stabilisiert, die ÖVP.

Infos für Mieter

In den kommenden Tagen werden bereits alle Mieter schriftlich von der Stadt über den gestarteten Verkaufsprozess informiert. "Die Mietverträge in Objekten mit neuen Eigentümern bleiben unverändert aufrecht. Somit bleiben auch die Mietzinse ganz klar gesetzlich geregelt", heißt es vonseiten der Stadt.

Durch den Eigentümerwechsel entstehen zusätzlich Möglichkeiten, dass in den kommenden Jahren wichtige Sanierungen und Modernisierungen an den Bauten vorgenommen werden, so die ÖVP.

Im Besitz der Stadt sollen die Objekte Posthof (Wiener Straße, Domgasse, Domplatz), Neunkirchner Straße 65a, b und c, Pernerstorfer Hof, Promenade 1 (Europahaus), Nestroystraße 2, 4, und 6 sowie der Dr. Karl Renner-Hof bleiben.

Was die Abstimmung über den Verkauf im Gemeinderat anbelangt, herrschte Dienstagabend Rätselraten darüber, wer vonseiten der SPÖ, FPÖ oder den Grünen seine Meinung geändert hat. Im Vorfeld hatten alle drei Fraktionen angekündigt, den Verkauf nicht mitzutragen und dagegen zu stimmen.

Wer stimmte mit?

Die geheime Abstimmung soll dem Vernehmen nach mit 21:17 ausgegangen sein. Die ÖVP besitzt aber "nur" 15 Mandate, die SPÖ 11, FPÖ 8, die Grünen vier Sitze und je ein Mandat das Team Kanber Demir sowie die Neos.

“Es ist natürlich ein leichtes für SPÖ und FPÖ sich hinter einer geheimen Abstimmung zu verstecken”, meldet sich Selina Prünster, Stadträtin der Grünen, nach der Sitzung zu Wort. Es habe zwar stundenlange Lippenbekenntnissen aller Fraktionen gegeben, doch niemand habe sich zu einer transparenten Abstimmung committen können. "In einer geheimen Abstimmung wurde der Sozialbau zu Grabe getragen", so das Fazit der Stadträtin, die versichert, dass die Grünen keine geheime Abstimmung gebraucht hätten. 

Grüne orten abgekartetes Spiel bei Abstimmung

Die Stadträtin bezeichnet die Sitzung als abgekartetes Spiel, den Beweis dazu erbringe das Rathaus selbst, wie sie meint: "Auf der der Stadt wurden nur wenige Minuten nach der Abstimmung mehrere Seiten mit allen Details zum Verkauf veröffentlicht. Eindeutig auch das hinterlegte Datum: 6.10. also schon einen ganzen Tag vor der Gemeinderatssitzung!"

Besonders dramatisch sei allerdings, dass dies nur auf dem Rücken der Schwächsten der Gesellschaft ausgetragen werde. "Über 1.600 Wohnungen werden nun privatisiert und die Menschen, die dort wohnen, vor vollendete Tatsachen gestellt", ärgert sich Prünster.  An sozialer Verantwortungslosigkeit sei das nicht zu toppen. "Wir werden natürlich unterstützen, wo immer wir können und zu Mieterschutzvereinigungen Kontakt aufbauen, damit die Mieter nicht ganz alleine dastehen.” 

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