Dass ihr Maskottchen eine Hummel ist, komme nicht von ungefähr, betont Beatrix „Trixi“ Kohlhauser. Denn eigentlich hat die Hummel zu kleine Flügel und ist zu dick, um fliegen zu können. „Doch sie kann es trotzdem. Das spiegelt das Leben unserer Kinder wider, die manches schaffen, obwohl es die Medizin als unmöglich ansieht. Unsere Hummel ist zusätzlich sehr besonders, sie ist stark beeinträchtigt. Sie trägt Pampers, schielt, hat eine Brille und einen geknickten Flügel“, sagt Kohlhauser. Die Wiener Neustädterin ist Mit-Initiatorin des Vereins „U Are Special“. Vor zwei Jahren wurde er von und für Eltern von schwerbehinderten Kindern gegründet. „Du bist nicht allein“ ist das Motto.
Bis vor einigen Jahren drehte sich bei Beatrix Kohlhauser alles um den Job. Als Pharmareferentin kam sie viel herum, verdiente gut. „Mein Leben damals war ganz anders“, sagt sie. Die Wende kommt 2008, als sie mit 39 Jahren schwanger wird. Der anfänglichen Freude folgt eine „Horrormeldung“: Nach einem Organ-Screening in der 21. Schwangerschaftswoche steht fest: Ihre Tochter hat einen Wasserkopf ohne Druck und nur die Hälfte des Gehirnvolumens gesunder Kinder. Die Ärzte raten ihr zur Abtreibung, da das Kind weder atmen, schlucken, noch saugen könne.
„Das kam für mich aber nicht infrage. Ich wollte, dass Hannah zur Welt kommt und sich entscheiden kann, ob sie leben oder sterben möchte“, sagt Kohlhauser. Und die ärgsten Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht. „Die ersten acht Monate war sie ein fast ganz normales Baby“, erzählt Kohlhauser.
Doch sie wusste, dass das nicht so bleiben würde. Mit acht Monaten hatte Hannah den ersten epileptischen Anfall, ein „ganz schlimmes Ereignis“. Es folgten Monate im Krankenhaus, bis die richtige Medikation gefunden war. Dazu kommt die Spastik, die umso schlimmer wird, je älter Hannah ist.
„Picken zusammen“
Doch für Kohlhauser war klar: „Wir zwei picken zusammen.“ So schwer es auch war und ist. „Ein Jahr lang habe ich jedem, den ich getroffen habe, erzählt, dass ich ein schwerbehindertes Kind habe, um das zu verarbeiten. Jetzt tut es nicht mehr weh“, sagt sie mit einem Lächeln. Das Lachen hat Trixi Kohlhauser nicht verlernt „Warum auch?“, sagt sie und gibt Hannah einen Kuss. Die 13-Jährige kann zwar nicht sprechen, aber sie ist sehr kommunikativ. Dafür braucht sie etwa einen augengesteuerten Computer. Und diese speziellen Hilfsmittel – und nicht die Behinderung ihrer Tochter – sind ein Problem.
Weil teuer, extrem teuer. Vieles muss man selbst zahlen („Ich bräuchte etwa einen Outdoor-Rollstuhl, den zahlt mir kein Mensch“), anderes verlangt gute Orientierung im Behördenurwald („eine Odyssee, aber es gibt mittlerweile keinen Zettel, kein Formular, die ich nicht kenne“).
Zusammen stärker
Hannah in ein Heim zu geben, kommt für Trixi Kohlhauser nicht infrage. Als Konsequenz kann sie nicht arbeiten, lebt von Notstand und dem Pflegegeld für Hannah. „Damit kommen wir zurecht“, sagt sie.
Für Hilfsmittel und Therapien aber „muss man betteln gehen. Ein Schritt, den sich viele nicht trauen. Wir brauchen keine Almosen, aber unsere Kinder haben Rechte. Doch da fühlt man sich schnell alleingelassen“, sagt Kohlhauser. Mit anderen Betroffenen gründete sie eine Selbsthilfegruppe, denn „gemeinsam tut man sich leichter“. Aus der dann im September 2020 der Verein „U Are Special“ hervorging.
Mittlerweile hat man rund hundert Mitglieder in ganz Österreich. Man gibt Erfahrungen weiter, unterstützt Menschen in ähnlichen Situationen. „Wir kümmern uns auch darum, dass es den Eltern besser geht. Es gibt Familien, die ihr Kind seit 30 Jahren ausschließlich zu Hause pflegen. Das geht doch nicht.“ Treffen und Ausflüge – zuletzt etwa eine Alpaka-Wanderung – gehören dazu. „Wir sind alle in einem Boot – und dadurch, dass wir zusammenhalten, ist keiner allein“, sagt Kohlhauser. „Wir zeigen, dass es uns gibt, dass es uns gut geht, aber wir zeigen auch auf, welche Probleme es gibt“.
Zu tun gibt es genug. Derzeit sucht man eine barrierefreie Location für einen Elternstammtisch, eine Vision ist eine generationenübergreifende Tagesstätte für Schwerbehinderte. Denn: „Satt und sauber ist eben nicht genug.“
Das zweijährige Bestehen wird am 24. September von 10 bis 18 Uhr mit einem Erlebnisfest in der Waldschule in Wiener Neustadt, Im Föhrenwald 3, begangen. Information und ein buntes Rahmenprogramm erwarten die Besucher. www.uarespecial.at
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