Fünf Tote durch Listerien: 13 Monate Haft für Käserei-Chef
Der ehemalige Chef der inzwischen geschlossenen Käserei Gloggnitz (Bezirk Neunkirchen) ist am Donnerstag in Wiener Neustadt im Prozess um Listerien-Todesfälle und -Erkrankungen zu 13 Monaten Haft verurteilt worden. Der Schuldspruch ist nicht rechtskräftig.
Angelastet worden waren dem 39-Jährigen grob fahrlässige Tötung, grob fahrlässige schwere Körperverletzung bzw. grob fahrlässige Körperverletzung. Der Angeklagte hat die Vorwürfe stets bestritten. Am letzten Prozesstag wurde die Anklage allerdings noch erweitert, und zwar auf Untreue, Körperverletzung und Nötigung.
"Gewisse Leichtfertigkeit"
Der Beschuldigte soll Hygienebestimmungen missachtet, etwa vom Lebensmittelinspektor aufgetragene Mängelbehebungen aus finanziellen Gründen nicht durchgeführt und Gerätschaften nicht in Stand gehalten haben. Fünf Menschen waren aufgrund von Verunreinigungen der Milchprodukte durch Listerien gestorben, sechs weitere trugen teils lebenslange Folgeschäden davon.
Die 2015 im Firmenbuch eingetragene Käserei, die bis zu fünf Mitarbeiter beschäftigt hatte, meldete Ende 2022 zum zweiten Mal Insolvenz an. Ein Konkursverfahren war die Folge. Mit Beschluss vom 12. April 2023 wurde die Schließung des Betriebs angeordnet.
„Dass die Listerien aus ihrem Unternehmen stammen, war vollkommen klar“, war sich die Einzelrichterin in ihrer Urteilsbegründung sicher. Sie ortete beim Beschuldigten „eine gewisse Leichtfertigkeit“ gepaart mit „einer Nichtinformation“ sowie „einer gewissen Schlampigkeit“.
Mildernd habe sich die bisherige Unbescholtenheit ausgewirkt. Als erschwerend gewertet wurden der lange Tatzeitraum und das Zusammentreffen mehrerer Vergehen. An drei der Opfer muss der 39-Jährige in Summe 20.000 Euro bezahlen. Er gab keine Erklärung ab, ebenso verhielt sich die Staatsanwältin.
Spur führte nach Gloggnitz
Nach Erkrankungen und Todesfällen in Wien verfolgte die Agentur für Lebensmittelsicherheit (AGES) die Spuren nach Gloggnitz zurück. Der festgestellte Listerienstamm sei nur in der Käserei und bei den Erkrankten nachweisbar gewesen, stellte man fest. Ein Abgleich internationaler Datenbanken zeigte außerdem, dass der spezifische Erreger nirgendwo sonst auftrat.
Und doch sah der Angeklagte am ersten Prozesstag im September keine Schuld bei sich. Es habe nie Hygieneprobleme gegeben, behauptete er – stand mit dieser Meinung allerdings alleine da. Seit 2018 waren eine Reihe von Beanstandungen vom zuständigen Lebensmittelinspektor dokumentiert worden. Mehr als 800 Seiten umfassten diese Berichte.
Weitere Anklagepunkte
Bei der Fortsetzung des Prozesses im November wollte der 39-Jährige keine weiteren Angaben mehr machen: „Ich ersuche das Gericht, mich zur Höchststrafe zu verurteilen, damit wir das beenden.“ Der Prozess wurde neuerlich vertagt.
Am letzten Prozesstagwurde die Anklage gegen den Käserei-Chef wird erweitert. Er soll eine Frau am Hals gepackt und durch mehrere Ohrfeigen verletzt und einen ihr zu Hilfe kommenden Mitarbeiter ebenfalls attackiert haben. Das zeigte auch ein Überwachungsvideo, das beim Prozess gezeigt wurde, deutlich. Außerdem soll er 6.600 Euro in bar aus der Konkursmasse abgezweigt haben.
Zerknirscht
Der nicht anwaltlich vertretene 39-Jährige hatte die Anklagepunkte zwar stets bestritten, in seinem Schlussstatement zeigte er sich aber doch zerknirscht. „Das Tragischste am Verfahren sind die Menschen, die nicht mehr unter uns leben, unabhängig von meinem Verschulden.“ Es sei „das Ärgste, was passieren hat können“ und tue ihm „außerordentlich leid“, gab der Mann laut Dolmetscher zu Protokoll.
Teilaspekte des Verfahrens wurden am Donnerstag jedoch ausgeschieden. Betroffen waren zwei ursprünglich vom Strafantrag umfasste Listerien-Infektionen ebenso wie die neu hinzugekommenen Vorwürfe der Untreue, der Nötigung und der vollendeten sowie versuchten Körperverletzung.
Diese Punkte sollen am 14. März am Landesgericht Wiener Neustadt behandelt werden. Befragt werden an diesem Tag auch mehrere weitere Zeugen.
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