Fehldiagnose: „Die Dumme bin immer ich“

Fehldiagnose: „Die Dumme bin immer ich“
Weil die Ärztin Krebs vermutete, wurde Karin Peknik operiert. Doch dabei ging etwas schief. Vor Gericht blitzte sie ab.

Ihren „Fall“ hat Karin Peknik (48) penibel in einem gelben Aktenordner archiviert, voll mit Belegen und Befunden, Rechnungen und Gutachten. Nüchterne Zahlen und Zeilen, die das menschliche Leid dahinter verschweigen. Pekniks Krankengeschichte beginnt im Jänner 2009. Bei einer gynäkologischen Routineuntersuchung wird „etwas“ entdeckt; obwohl die Tumormarker nichts anzeigen, vermutet die Ärztin einen bösartigen Eierstockkrebs. Eine Fehldiagnose, wie sich später herausstellen wird.

Die Ärztin rät zu einer Bauchspiegelung (Laparoskopie), nur so könne man einen Krebs ausschließen. Peknik: „Ich hatte vorher keine Beschwerden. Aber ich wollte natürlich wissen, ob ich todkrank bin. “ Also unterschreibt sie den Aufklärungsbogen und wird am 30. Jänner im Landesklinikum Donauregion Tulln operiert.

Notoperation

Als Karin Peknik aus der Narkose erwacht, haben die Ärzte eine gute Nachricht für sie: Kein Krebs, nur Verwachsungen, die man gleich entfernt habe. Doch wenige Tage später stellt sich heraus, dass beim Eingriff der Darm verletzt wurde – „er hatte ein Loch.“ Notoperation, vier Tage Intensivstation, sechs Wochen künstlicher Darmausgang, dann Rückoperation.

Drei lange Monate ist die Versicherungsangestellte im Krankenstand. „Die Zeit war ein Horror. Ich konnte nicht aus dem Haus gehen, hatte schlimme Schmerzen und war auf fremde Hilfe angewiesen. Ohne meinen Mann und meine Mutter hätte ich es nicht geschafft“, sagt sie. Peknik klagt das Spital. Auf Schmerzensgeld (12.000 €) und auf Ersatz ihrer Barauslagen, wie Verbandsmaterial, Duschpflaster, Desinfektionsmittel und den stundenweisen Einsatz einer Krankenschwester (688,10 Euro).

Die Klage wird im Juni 2011 abgewiesen. Vor Gericht in St. Pölten bekommt sie zu hören, dass sie ausreichend über die Risiken aufgeklärt wurde. „Ich bin wütend auf unser Rechtssystem“, sagt Peknik. „Zuerst bekomme ich eine falsche Diagnose, dann fügt man mir den Schaden zu und jetzt sagt man: Weil ich die Aufklärungsunterlagen unterschrieben habe, habe ich Pech gehabt.“ Übrigens: Hätte Peknik den Aufklärungsbogen nicht unterschrieben, wäre sie nicht operiert worden – und wüsste bis heute nicht, ob sie Krebs hat oder nicht. „Die Dumme bin immer ich.“ Das Landesklinikum Donauregion Tulln wollte keine Stellungnahme abgeben.

Reaktion: „Es gibt keine Erfolgsgarantie“

Der KURIER konfrontierte den NÖ-Patientenanwalt Gerald Bachinger mit dem Fall von Frau Peknik: „Ich verstehe die Dame“, sagt er. „Aber in der Medizin gibt es keine hundertprozentige Erfolgsgarantie.“

Die Aufklärungsbögen, die Patienten vor Operationen ausfüllen müssen, seien nach internationalem Standard formuliert. Bei einer Bauchspiegelung, wie sie Frau Peknik machen ließ, könne es immer wieder vorkommen, dass Nerven, Blutgefäße oder der Darm verletzt werden – obwohl der Operateur alles richtig gemacht hat. „Man muss zwischen schlechtem Erfolg und medizinischem Behandlungsfehler unterscheiden.“

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