Faszinierende Zeitreise mit Jukebox-Hero und Flipper-Zauberer

Rund 200 Flipper sind im "Terra Technica" bespielbar
Die Sammelleidenschaft zweier Unternehmer mündete im wohl weltgrößten Automaten-Museum

„2200“, sagt Günter Freinberger und grinst wie einer, der genau weiß, dass er gerade Unglaubliches zum Besten gibt. „2200 Steckdosen wurden verbaut. Und das Gebäude verfügt über eine eigene Trafostation.“ Es ist ein Museum der Superlative, das im früheren Niemandsland zwischen Niederösterreich und Tschechien aus dem Boden gestampft wurde. Auf 8500 Quadratmetern eröffnet sich Besuchern eine faszinierende Automaten-Erlebniswelt. Die schiere Masse der rund 750 ausgestellten Jukeboxen und mehr als 200 bespielbaren Flippergeräte aus allen Technik-Epochen versetzt Besucher in ungläubiges Staunen.

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Das „Terra Technica Jukebox & Pinball Time Travel Museum“ ist Ergebnis der Sammelleidenschaft zweier Enthusiasten. Ronnie Seunig, Gründer der „Excalibur City“ unweit von Kleinhaugsdorf an der tschechischen Grenze, trägt seit geraumer Zeit Musikboxen zusammen und haucht ihnen neues Leben ein. „Das Konservieren dieser Zeit war für mich sehr wichtig. Daher war die logische Konsequenz, das Ganze unter einem Dach zu vereinen. 20 Jahre und 20 Millionen Euro später sitzen wir jetzt hier“, feixt Seunig.

Unglaubliche 930 Musikboxen besitzt er aktuell – vom Modell für Schellackplatten, über Vinyl-Geräte bis zu CD-Spielern und alten Boxen, die neben Musik auch Schmalfilme abspielen. Auch eine Art erste Musik-Streaming-Anlage ist zu bewundern: Beim „Automatic Hostess Service“ (Jahrgang 1941–’42) konnten Barbesucher eine Telefonistin anrufen, die dann die gewünschte Platte auflegte – die Musik kam via Telefonleitung in den Barlautsprecher.

Faszinierende Zeitreise mit Jukebox-Hero und Flipper-Zauberer

Raritäten wie diese hat Seunig Hunderte in seiner Sammlung.

Sammel-Ziel

„Mein Ziel sind 1000 Boxen“, sagt Ronnie Seunig selbstverständlich. Dabei muss man wissen, dass die Geräte zuletzt wieder zum gefragten Gut wurden – unter 10.000 Euro sind kaum noch welche zu bekommen, unrestauriert versteht sich. „Ich bemerke, dass es immer schwieriger wird, was Neues zu finden“, sagt Seunig. „Wo ich früher drei, vier Geräte pro Woche aufgetrieben habe, bin ich jetzt froh, wenn ich noch eines im Monat finde.“ Unter Seunigs Stücken, die klingende Markennamen tragen wie Wurlitzer, Seeburg, Rock-Ola oder AMI, finden sich viele Schmankerl. Zu den wertvollsten Stücken zählt das Rock-Ola-Modell „President“, das mit 200.000 Dollar (170.000 Euro) bewertet wird.

Im gelernten Radio- und Fernsehmechaniker Günter Freinberger aus Ruprechtshofen im Bezirk Melk hat Seunig einen Gleichgesinnten gefunden. „Ich war als Bub Ministrant und vor und nach den Messen war ich beim Kirchenwirt im Hinterzimmer Flipper spielen“, erzählt er. „1995 habe ich dann um 300 D-Mark einen Honey-Flipper ersteigert. Ein Gerät wie das, auf dem ich in der Jugend gespielt habe.“ Danach war Freinberger infiziert und begann, ganze Flipper-Sammlungen aufzukaufen.

Faszinierende Zeitreise mit Jukebox-Hero und Flipper-Zauberer

Die Automaten wurden in stilechtem Ambiente in Szene gesetzt.

Virus

Sein Bestand umfasst derzeit 572 Geräte. Darunter findet sich mit dem „Humpty Dumpty“ von 1948 der älteste Flipper der Welt, ausgestattet nur mit einem Kugelabschuss und von kleinen Nägeln („Pins“) umsäumten Löchern, in die die Kugel („Ball“) fällt. Neben der Technik fasziniert ihn, den sie in der Szene gern den „Pinball-Wizard“ („Flipper-Zauberer“) nennen, aber auch noch immer das Automatenspiel. Beim Rundgang durch das Museum lässt er es sich nicht nehmen, den fast 20.000 Euro teuren „Batman-Flipper“ mit einer Münze zum Leben zu erwecken. Und als er den Kugelabschuss betätigt, die unzähligen Lichter blinken und seine Finger über die Flipperknöpfe tanzen, da ist Freinberger abgetaucht in seine bunte Pinball-Welt.

Das Museum präsentiert in sechs Abteilungen nahezu lückenlos die Geschichte der Musikboxen und Flipper. Zudem wird ein Überblick über verschiedene technische Entwicklungen von 1880 bis heute geboten. Da reihen sich selbstspielende Klaviere neben Edison-Phonographen, Orchestrions neben alte Telefone. Dazwischen stehen außergewöhnliche Fahrzeugmodelle, wie der 1946er Chrysler, den einst Slapstick-Ikone Stan Laurel pilotierte, oder das 1989er Batmobil. Zusätzlich lockt die „Hall of Videogames“ mit zahlreichen Videospiel-Automaten.

Als die letzte Flipperkugel gefallen ist, lässt Günter Freinberger einen seligen Blick über die unzähligen bunten Gerätschaften wandern: „Der Ronnie hat meinen Lebenstraum erfüllt.“

 

„Terra Technica“-Museum
Geöffnet täglich von 10 bis 19 Uhr, Eintritt für Erwachsene (inklusive Token) 9,90 Euro, Kinder 5 Euro, Web: www.terratechnica.info

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