Fall Ambrosi: Die Ex-Frau spricht
Ich weiß, wie es war." S. Ambrosi, 45, glaubt an sich, anders als die acht Geschworenen, die in der Vorwoche ihren Ex-Mann, Franz Ambrosi, dem ein Mordversuch an ihr angelastet wurde, freisprachen. Einstimmig. Acht Stimmen für ihn, acht gegen S. Ambrosi. Ein Fall, zwei Tatversionen, ein klares Urteil.
„Mir ist es unbegreiflich, wie acht Geschworene über Fakten so hinwegschauen können." Die 45-Jährige sitzt in der Kanzlei ihres Anwaltes, Manfred Ainedter, ist aufgekratzt, beharrt auf ihrer Geschichte, jener eines Opfers. „Ich habe Angst. Er kann jederzeit bei mir auftauchen."
Rückblende
Am 28. Juni 2007 eskalierte der Streit des Paares in der Mödlinger Wohnung. Ihre Version: Sie stach in Notwehr zu, als ihr Mann versuchte, sie mit einem Seil zu erdrosseln. Seine Aussage: Sie attackierte den 42-Jährigen von hinten mit dem Messer, woraufhin er sich mit einem Würgegriff verteidigte. Das gefundene Seil sei von ihr manipuliert worden. Mehrere Gutachter widersprachen einander diametral. Der Rest ist Justizgeschichte: Franz Ambrosi saß 711 Tage seiner zwölfjährigen Haftstrafe ab, kam nach einem Wiederaufnahme-Beschluss frei, wurde nun nach seinem Freispruch zum Justizopfer.
S. Ambrosi sagt trotz des eindeutigen Urteils, dass die Geschworenen vom medialen Trommelfeuer irritiert wurden. Anwalt Ainedter geht mit der Laiengerichtsbarkeit hart ins Gericht: „Hier wird entschieden, ohne etwas begründen zu müssen, aus dem Bauch heraus, aus Sympathie. Die Medien haben hier mitentschieden." Gehe es nach Ainedter, gehöre sie „abgeschafft". Alle juristischen Mittel seien für Frau Ambrosi ausgeschöpft, sagt er.
Sie will ihren Vornamen und ihr Gesicht nicht preisgeben. Das Geschehene habe ihr Leben zerstört. Sie verlor ihren Job und Freunde. „Ich konnte keinen Menschen ertragen, der an mir zweifelt." Die Tochter, heute 17, litt unter der Situation, und sie mit ihr.
Vieles, was sie sagt, klingt plausibel. „Ich hätte die Tat nicht nur planen, sondern auch punktgenau inszenieren müssen. So hätte ich nicht nur das Seil an meinem T-Shirt reiben und dieses unter dem Teppich in der Küche verstecken, sondern auch noch checken müssen, dass entsprechende Spuren auf meinen Hals kommen." Es sind genug Argumente, um sich ein Bild von diesem Abend auszumalen. Der Staatsanwalt glaubt ihr mehr als dem Freigesprochenen, ficht das Urteil erneut an.
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Doch der Fall könnte vor einer Wende stehen – das Opfer zum Täter werden, und umgekehrt. Denn die Anwältin ihres Ehemaligen erstatte Anzeige, wegen Mordversuchs und Verleumdung. „Ich würde es mir wünschen, dass sie dieselben leidvollen Erfahrungen macht wie ich", sagte ihr Ex-Partner im KURIER. Vielleicht muss sie bald erneut vor Gericht, jedoch als Beschuldigte. „Darüber wird erst entschieden", sagt Behördensprecher Erich Habitzl.
Ob sie der Justiz noch traut? Sie antwortet vorsichtig: „Ich möchte glauben, dass es Gerechtigkeit gibt." Sie könne „erhobenen Hauptes durchs Leben gehen", sagt sie. „Er muss damit leben, dass er es getan hat. Wenn er dieser Gerichtsbarkeit entgeht, dann wird er irgendwann vor dem Jüngsten Gericht seine gerechte Strafe kriegen."
Geschworene: Das Volk spricht Recht
Schuldfrage Die Geschworenenbank besteht aus acht Laienrichtern, die über die Schuldfrage entscheiden. Begründen müssen sie ihr Urteil nicht. Die Strafhöhe wird gemeinsam mit Berufsrichtern festgelegt.
Bürgerpflicht Wer Laienrichter wird, entscheidet der Zufall (das Los). Die Teilnahme gilt als Bürgerpflicht. Voraussetzungen: zwischen 25 und 65 Jahre alt, fit, nicht vorbestraft.
Zuständigkeit Laienrichter sind bei politischen Delikten (NS-Verbotsgesetz) oder bei Verbrechen, die mit lebenslangen Freiheitsstrafen oder mit Strafen, deren Untergrenze nicht weniger als fünf Jahre und deren Obergrenze mehr als zehn Jahre beträgt, zuständig.
Notbremse Ist der Spruch der Laien widersprüchlich, können Berufsrichter eine weitere Beratung anordnen oder ihn aussetzen und somit an ein anderes Geschworenengericht delegieren.
Reform Die Laiengerichte gelten als demokratische Errungenschaft, weil hier das Volk Recht spricht. Kritiker sagen, Laien seien überfordert. Reformvorschläge reichen von einer besseren Auswahl der Laien bis zur gemeinsamen Entscheidung mit Profis.
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