Fachhochschule Wiener Neustadt: Der Gravitation auf der Spur

Fachhochschule Wiener Neustadt: Der Gravitation auf der Spur
In einem internationalen Projekt mit der Universität Nottingham werden ultrasensible Quantensensoren für praktische Anwendungen entwickelt.

Quantenphysik – das klingt nach schwerer Lektüre und aufwendigen Experimenten. Doch die Theorie vom Verhalten der kleinsten Bausteine des Universums hat zahlreiche handfeste Auswirkungen auf Produkte des Alltags. Wie solche Produkte die Technik revolutionieren können, zeigt gerade ein Forschungsteam der FH Wiener Neustadt aus Mechatronik- und Physik-Experten rund um Christian Koller.

Im Rahmen des Projekts ICAS (Integrated Cold Atom Sensors) entwickeln sie gemeinsam mit Partnern der Universität Nottingham einen ultrasensiblen Sensor für Gravitationsfelder. Obwohl nur Quadratzentimeter groß, wird er in der Lage sein, Änderungen der Erdanziehungskraft mit nie dagewesener Genauigkeit in einer mobilen Anwendung zu messen, wie Koller begeistert erzählt: „Die Einsatzmöglichkeiten unserer Technologie sind überwältigend: So lassen sich Wasserleitungen im Boden und in den Wänden erkennen, archäologische Ausgrabungen unterstützen, Hohlräume aufspüren und sogar Vulkanausbrüche vorhersagen.“

Miniaturisierung

Quantenphysik hat mit den Vorstellungen des Alltags nicht viel gemeinsam. Die Bereiche, um die es hier geht, sind zudem empfindlich gegenüber Störungen, was die technische Nutzung schwierig macht. Bei Temperaturen, die nur Bruchteile über dem absoluten Nullpunkt von -273,15 Grad liegen, ändert sich das aber. Hier gelingt es, Atome in sogenannte „kollektive Quantenzustände“ zu überführen, die robuster sind.

Alltagstaugliche Anwendungen werden durch eine besondere Kühlungsmethode möglich. Koller erklärt vereinfacht: „Mithilfe von Lasern werden einzelne Atome ,abgebremst’, ähnlich wie ein fahrendes Auto, auf das man viele kleine Bälle schießt, bis es zum Stehen kommt. Fängt man sie mit Magnetfeldern im Vakuum ein, bleiben sie isoliert, behalten ihre Quanteneigenschaften und werden zu sensiblen Messinstrumenten.“

Fachhochschule Wiener Neustadt: Der Gravitation auf der Spur

Forschung: Joshua New, Doktorand an der University of Nottingham, Thomas Fernholz, Leiter des Testexperiments, FHWN-Teamleiter Christian Koller und Studierende Lisa Knöbelreiter (v.li.)

Während in Nottingham die Durchführung der Experimente erfolgt, konzentriert sich die FHWN auf die Entwicklung von Komponenten auf Halbleiterbasis, die eine Miniaturisierung und Massenfertigung ermöglichen. Was bisher schrankgroß war, soll künftig so klein wie eine Briefmarke und in der Fertigung skalierbar sein.

Ergänzt wird das Projekt durch Studentin Lisa Knöbelreiter, die in ihrer Masterarbeit an optischen Chipkomponenten forscht und sie in einer Gruppe um Lucia Hackermüller an der Universität Nottingham an Prototypen testet. Das soll den Grundstein für eine Serienfertigung legen. Wie bedeutsam diese Entwicklung ist, zeigt sich auch daran, dass das Projekt innerhalb des „Marie Skłodowska-Curie“-Netzwerks der EU mit einer von europaweit nur zehn Doktoratsstellen gefördert wird.

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