Emotionale Diskussion zu umstrittenem Bauprojekt in Breitenfurt
Großes Interesse an der Diskussion im Restaurant Santorini im Grünen Baum am Donnerstagabend.
Es wurde der erwartete emotionale Schlagabtausch. Im Rahmen der ORF-Sendung „Ein Ort am Wort“ stand am Donnerstagabend im Breitenfurter Lokal "Santorini im Grünen Baum" das geplante Bauprojekt auf den sogenannten "Breiteneder Gründen" zur Diskussion.
Seit Jahren sorgt das Thema für Streit in der Gemeinde. Auf rund zehn Hektar Fläche möchte die BIP Immobilienverwaltung GmbH der Familie Breiteneder auf der Wiese ein neues Ärztezentrum, 300 Wohnungen, Grünflächen sowie ein Seniorenwohnheim und einen "Dorfplatz" mit Bäckerei oder Kaffeehaus errichten.
Außerdem soll das derzeit eingezäunte Areal der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Fuß- und Radwege sind geplant.
Bereits zweimal war eine Verbauung des Grundstückes in Volksbefragungen in Breitenfurt von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt worden. Zuletzt präsentierte Architekt Andreas Hawlik im Auftrag der BIP Immobilienverwaltung einen adaptierten Entwurf mit reduzierter Verbauung, verbessertem Hochwasserschutz sowie ausgeweiteten Grünflächen.
Bebauung ohne Zustimmung der Gemeinde?
Hinzu kommt der Umstand, dass das Areal bereits seit rund 50 Jahren als Bauland gewidmet - allerdings nicht aufgeschlossen - ist. Seitens der Gemeinde wird befürchtet, Breiteneder könnte eine Verbauung daher auch gegen den Willen des Gemeinderates rechtlich durchsetzen. Breiteneders Anwalt Michael Mendel hatte dies zuletzt auch in den Raum gestellt. Er sei "sehr optimistisch" ein solcher Rechtsstreit würde aufgrund bestehender Gerichtsurteile zugunsten der BIP enden. Man wolle dennoch das Projekt in Zusammenarbeit mit der Gemeinde realisieren.
Architekt Andreas Hawlik (re.) und Stefan Kaps (Bürgerinitiative "Zukunft Breitenfurt").
Dies wiederholte Mendel am Donnerstabend erneut. Dennoch waren einige der Diskussionsteilnehmer der Überzeugung, eine Verbauung könne nicht ohne Zustimmung der Gemeinde durchgesetzt werden. Auch der Warnung, auf die Gemeinde könnten hohe Entschädigungszahlungen zukommen, wurde widersprochen.
Angst vor Hochwasser
Generell zeigte sich einmal mehr die tiefe Spaltung zwischen Gegnern und Befürwortern des Projektes. "Wieso wird überhaupt noch darüber gesprochen, nachdem sich die Breitenfurter in zwei Volksbefragungen dagegen ausgesprochen haben?", wunderte sich beispielsweise ein Diskussionsteilnehmer. Andere brachten ihre Befürchtungen zum Ausdruck, zusätzliche Versiegelung würde die ohnehin schon große Gefahr von Überflutungen bei Hochwasserereignissen weiter verschärfen.
Architekt Hawlik betonte hingegen, der Hochwasserschutz werde durch die geplanten Maßnahmen im Rahmen des Projektes sogar "deutlich verbessert".
Ebenfalls Thema in vielen Wortmeldungen war die Verkehrssituation im Ort - und deren erwartete Veränderung. Nicht nur während der Stoßzeiten morgens und abends komme es schon jetzt in Richtung Wien zu massiven Staus, berichteten mehrere Diskussionsteilnehmer. Dies würde sich durch 300 neue Wohnungen wohl noch weiter verschärfen. Der von der Projektwerberin beauftragte Verkehrsplaner Werner Rosinak prognostizierte aufgrund seines Gutachtens eine Verkehrszunahme von "maximal zehn bis 15 Prozent“. Rund die Hälfte davon würde durch das Ärztezentrum verursacht.
Staus in Richtung Wien
Befürworter des "Wiesenparks" konterten, die derzeit angespannte Situation würde zu einem wesentlichen Teil durch Breitenfurter Eltern verursacht, die ihre Kinder mit dem Auto ins nahe gelegene Kollegium Kalksburg bringen, statt öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.
Sehr kontrovers diskutiert wurde die Frage der künftigen Gesundheitsversorgung in Breitenfurt. Sollte das neue Primärversorgungszentrum nicht errichtet, würde das bestehende - geführt von Mediziner Peter Klar - in eine andere Gemeinde abwandern, wird befürchtet. Dem entgegneten Kritiker des Bauprojektes, die Kassenstellen würden Breitenfurt erhalten bleiben, auch wenn Klar und sein Team abwandern.
Sorge um unbesetzte Kassenstellen
"Das geht an der Realität vorbei", meinte dazu ein Diskussionsteilnehmer: "Wer sich in Niederösterreich umsieht, der weiß, dass es in vielen Gemeinden unbesetzte Kassenstellen gibt, weil sich keine Bewerber finden." Das bestehende Primärversorgungszentrum in Breitenfurt zu halten, sei daher wesentlich.
Am aktuellen Standort weiterzuarbeiten, schloss Peter Klar aus: "Wir brauchen Entwicklungsmöglichkeiten. Derzeit sind wir auf engem Raum zusammengepfercht." Er sehe keinen alternativen Standort in Breitenfurt.
Während in mehreren Wortmeldungen der Bedarf an leistbarem Wohnraum für junge Breitenfurter bekräftigt wurde, verwiesen Gegner des Bauprojektes auf zahlreiche aktuell am Wohnungsmarkt verfügbare Immobilien in Breitenfurt. Stefan Kaps, stellvertretender Obmann der Bürgerinitiative „Zukunft Breitenfurt“, erinnerte an die beiden Volksbefragungen, in denen Bürger mehrheitlich eine Verbauung abgelehnt haben: „Wenn man sich die hohe Wahlbeteiligung anschaut, kann man davon ausgehen, dass sich da auch Junge dagegen ausgesprochen haben."
"Brauchen ein Umdenken"
Raumplaner Hans Emrich rief - wie viele andere an diesem Abend - zu mehr Sachlichkeit und weniger Emotion auf. Die Stimmung in Breitenfurt sei „gespalten“, man müsse daher alle Fakten "transparent offen legen" und versuchen, in Diskussionsrunden wie dieser zu einem Kompromiss zu gelangen.
Universitätsprofessorin Gerlind Weber, ehemalige Leiterin des Instituts für Raumplanung und Ländliche Neuordnung an der Universität für Bodenkultur Wien, hingegen hob die Thematik auf eine überregionale Ebene: "Es geht hier nicht nur um diese Wiese. Wir brauchen ein Umdenken. Wir brauchen eine Energiewende, eine Verkehrswende, eine Bauwende", appellierte sie. Breitenfurt dürfe seine Identität nicht durch zu viel Zuzug verlieren. Und sie betonte: "Wachstum ist kein Geschäftsmodell für eine Gemeinde."
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