Einer von 160 Herrenkleidermachern: Das Maß aller Dinge
Ja, auch Männer haben sie. An anderen Körperstellen zwar, aber dennoch. Und ja, auch Männer sind von ihnen genervt. Oftmals sogar so sehr, dass ein Einkauf in einem Modegeschäft zum Verzweiflungsakt wird. Denn Problemzonen sind eben keine Frage des Geschlechts.
„Man findet ja nichts“ ist wohl der Satz, den Reinhard Hirsch am häufigsten von seinen Kunden zu hören bekommt. Zumeist kurz bevor er sein Maßband zückt und beginnt, den Körper seines Kunden zu vermessen. Denn Hirsch ist Herrenausstatter. Und somit der Experte für genau jene Kleider, die Leute machen.
Großvater war Schneider
Dabei wurde ihm die Liebe zu Stoffen und zum Nähen in die Wiege gelegt: Sein Großvater arbeitete als Schneider und hat früh begonnen, seinem neugierigen Enkel alles zu zeigen. „Ich habe das Nähen an einer Maschine gelernt, die noch mit einem Fußpedal zu bedienen war“, schildert Hirsch. Und so war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis er sich – nach einer Zeit bei der Feuerwache der Hofburg – 2020 als Herrenausstatter selbstständig machte.
Rund 160 Herrenkleidermacher gibt es derzeit in Österreich. Ein geschlossener Kreis von Künstlern, die sich nur ungern in die Karten blicken lassen. Dennoch ist es Hirsch gelungen, einigen von ihnen über die Schulter zu schauen; in ganz Österreich reiste er herum, um von den Profis für seine Arbeit als Ausstatter zu lernen. Wobei die Beratung der Kunden selbst, das Auge für das richtige Modell und die richtigen Farbtöne, das brachte Hirsch schon in den Beruf mit. „Ich bin 1,90 groß. Da findet man so schnell nichts von der Stange“, hat auch er seine „Problemzonen“.
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Was gute Mode ausmacht
Ein guter Maßanzug allerdings, der versteht es, die körperlichen Vorzüge hervorzuheben. „Der schönste Moment in meinem Beruf ist jener, wenn sich meine Kunden erstmals in ihrem neuen Anzug in den Spiegel sehen. Da verändert sich sofort ihre Körperhaltung, man merkt, wie wohl sie sich in ihrer Haut fühlen.“ Und in ihrem Anzug, wohlgemerkt.
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Hirsch ist im vergangenen Jahr viel herumgekommen. Nicht nur, weil er Messen besucht und feinste Stoffe eingekauft hat, sondern vor allem, weil er zu seinen Kunden nach Hause kommt. „Das ist schon immer eine sehr persönliche Sache“, erzählt er. Er bespricht mit den Männern ihre Vorstellungen, berät, zeigt Stoffmuster. Und dann geht es ans Vermessen, damit der neue Anzug perfekt sitzt. „Zumeist kontaktieren mich Männer, die in den Läden nichts Passendes für ihre Körperform finden. Aber es gibt auch Kunden, die das Individuelle suchen oder sich etwas gönnen wollen.“
Hochzeiten
Und dann gibt es natürlich auch all jene, denen der schönste Tag in ihrem Leben bald bevorsteht: Bräutigame, die für ihre Hochzeit das perfekte Outfit brauchen. „Meistens zeigen sie mir Bilder auf Instagram, die ihren Vorstellungen entsprechen“, sagt Hirsch. Sein Job ist es dann, gemeinsam mit den angehenden Ehemännern den idealen Schnitt und Stoff zu finden. Die Accessoires – vom Gürtel über Krawatten bis hin zu Schuhen – inklusive.
Reinhard Hirsch hat sich im vergangenen Jahr schon einen Kundenstamm in Niederösterreich, Wien und Oberösterreich aufgebaut. Seit Kurzem kann man ihn auch in seinem Atelier besuchen, das er Mitte Mai in Wolfpassing an der Hochleithen (Bezirk Mistelbach) eröffnet hat. Ein wichtiger Schritt für ihn, um seinem persönlichen Traum näherzukommen: Er beginnt im Herbst ein Studium für Mode in Wien. Denn er will in Zukunft nicht nur ausstatten, sondern auch selbst zu Nadel und Faden greifen und seine Anzüge fertigen können.
„Noch muss ich meine Entwürfe bei Partnern schneidern lassen. Mein Ziel ist es aber, meine Modelle selbst anzufertigen, und zwar auch Uniformen“, kommt Hirsch sofort ins Schwärmen. Denn erst, wenn er höchstpersönlich an der Nähmaschine sitzen darf, sind der Kreativität keine Grenzen mehr gesetzt – seiner eigenen ebenso wie der seiner Kunden.
Wie viele Maßanzüge hängen im Schrank?
Übrigens: Hirsch selbst besitzt gerade einmal sechs Maßanzüge. „Es geht nicht um die Menge, sondern darum, wie gut man die Teile kombinieren kann“, weiß er. Eine schwarze Hose ist deshalb das Must-have für den Mann von heute. Sein wohl liebstes Teil, die moderne Version eines Husarenrocks, ist aber erst im Werden. „Darin werde ich selbst vor den Traualtar treten“, verrät er.
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