Der junge Künstler dreht sorgfältig an der Glasmacherpfeife, auf der sich ein rot glühender kleiner Glasball befindet. Immer wieder läuft er zwischen den verschiedenen Öfen hin und her und formt nach und nach sein Kunstwerk. Bald wird es auf ein Vielfaches seiner Größe aufgeblasen. Sein Vater weiß: „Die Arbeit mit flüssigem Glas ist wie eine Dauermeditation. Man muss voll im Moment sein – sonst wird’s nix.“
Drei Generationen
In Weigelsdorf im niederösterreichischen Bezirk Baden befindet sich das „Empire of Glass“, in dem sich Familie Kuchler seit drei Generationen dem Glas widmet. Es gibt Workshops, ein Glasmuseum und eine Galerie für internationale Glaskunst. So kommt es, dass hier fast immer Besucherinnen und Besucher zuschauen, wenn ein neues Kunstwerk entsteht. Genau wie die Familie, die gemeinsam mit dem KURIER hinten in der Werkstatt sitzt.
Es geht in die heiße Phase. Das fertige Lichtobjekt muss von der Pfeife hinuntergeschlagen und in den Kühlofen gebracht werden. Dort soll das Glas auf 500 bis 520 Grad herunterkühlen. Bei dieser Temperatur härtet es aus. Peter II. springt von seinem Sessel auf, unterbricht das Gespräch und hilft seinem Sohn. Der hat schon einen silbernen Schutzanzug an und ein Visier auf – sonst würde ihm der Kühlofen seine Gesichtsbehaarung wegbrennen. Im Ofen wird das Lichtobjekt dann über mehrere Tage langsam abgekühlt.
Energiekrise
Man spürt die Frustration des Vaters, Peter II., wenn er erklärt, wie schade es sei, „so ein Talent brach liegen zu lassen“. Denn die „Lichtobjekte“, die diesmal entstanden sind, waren die Letzten auf unbestimmte Zeit. Dieses Jahr muss die Glasbläsersaison, die normalerweise von November bis April läuft, schon nach einem Monat beendet werden. Grund dafür: die hohen Gaspreise. Statt rund 6.000 Euro wie früher verschlingen die Öfen aktuell ungefähr 25.000 Euro pro Monat. Bei diesen Kosten rentiert sich die Arbeit an den „Lichtobjekten“ einfach nicht. Das ist für die Familie mit der großen Leidenschaft für Glas natürlich traurig.
Im Jahr 1966 hat Hilde Kuchler das Familienunternehmen mit ihrem Mann, Peter I., gegründet – anfangs noch als reine Glaserei. Früh brachte Hilde auch den künstlerischen Aspekt ein. Mittlerweile ist ihre „gläserne Burg“ ein beliebtes Ausflugsziel. Sofort fällt die Fassade auf, die zur Gänze mit einem Mosaik aus sieben Millionen Glassteinen besetzt ist. Sie ist Hilde Kuchlers größte Kreation.
Diese „gläserne Burg“ ist das Lebenswerk der Gründerin. Auch im Ruhestand führt sie täglich Reisegruppen durch das Museum. Ihr künstlerischer Tatendrang ist ebenso ungebrochen. So hat sie dieses Jahr den größten Glasschmetterling der Welt angefertigt. Der besteht aus mehr als 1.000 kleinen Schmetterlingen und hängt noch bis 21. Dezember in der Schmetterlingswelt Tattendorf.
Die Arbeit perfektioniert
Ihr Enkelsohn, Peter III., hat im Familienbetrieb – vor vielen neugierigen Augen – ab seinem 15. Lebensjahr die Arbeit mit dem Glas erlernt. Mittlerweile ist der Glasmacher 31 und hat mehr als die Hälfte seines Lebens damit verbracht, seine Kunst zu perfektionieren. Es habe ihn „Schmerzen, Schweiß und Scherben“ gekostet, erklärt er. Aber so habe er Fähigkeiten entwickelt, die auf der Welt einzigartig sind. Dafür wurde er auch vom Forbes Magazin 2021 zum spannendsten Künstler der DACH-Region (der Länder Deutschland, Österreich und der Schweiz, Anm.) gekürt.
Mehrere Schichten, feine Muster
Unter dem Künstlernamen P3 fertigt er Skulpturen an, die in mehreren Schichten von feinen Mustern, Wirbeln oder Netzen durchzogen sind. Diese stehen mittlerweile auf jedem Kontinent in Ausstellungen und privaten Sammlungen. Glasmacher aus aller Welt versuchen zu verstehen, wie P3 solche regelmäßigen, feingliedrigen Muster ins Glas bringt. Mit einem Augenzwinkern sagt er: „Es gibt Dutzende Glasmacher, die mir nur deshalb auf Instagram folgen, um herauszufinden, wie ich das mache.“
Übrigens sind die Kuchlers auch gerade dabei, auszubauen. Bis 2024 sollen in Weigelsdorf Museumsfläche und Glaserei vergrößert werden. Nur wann Peter III. wieder seiner Leidenschaft, dem Fertigen der „Lichtobjekte“, nachgehen kann, ist nicht klar. Er würde sich wohl gern eine Kristallkugel blasen können, um in die Zukunft zu sehen: Eine Zukunft, in der hier wieder kunstvolle Glasobjekte entstehen werden.
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