„Manche Darsteller haben sich den Bart seit drei Jahren wachsen lassen und nicht mehr abrasiert“, verrät Marosch. 2020 mussten die bereits 21. Passionsspiele coronabedingt abgesagt und verschoben werden. In dem Wissen, dass sie zwei Jahre später als Apostel, Hoher Rat oder Pharisäer die Bühne betreten und möglichst authentisch wirken sollen, ließen die meisten Darsteller den Rasierer seither unbenutzt im Schrank.
Kreuz verlängert
Ausgerechnet bei einem der Hauptdarsteller, nämlich Jesus, wollten die Gesichtshaare aber partout nicht sprießen. Mit stattlichen 2,02 Metern ist der 20-jährige Florian Grabner nicht nur der Größte, sondern in der 90-jährigen Geschichte der Passionsspiele auch der jüngste Jesus-Darsteller aller Zeiten. Das Holzkreuz, an das Christus genagelt wird, war für den Riesen deutlich zu klein. „Für ihn mussten wir es vergrößern“, sagt Marosch.
Angesichts seines schauspielerischen Talents blickt man über einen kleinen äußeren Makel locker hinweg: Eigener Bart für die tragende Rolle ist dem Jungspund selbst keiner gewachsen. Dafür ist die wallende Mähne bereits schulterlang. Eineinhalb Jahre hat sich Florian Grabner die Haare wachsen lassen, um optisch dem Vorstellungsbild von Christus möglichst auf der Bühne nahezukommen. Damit ist er in Kirchschlag in bester Gesellschaft.
Nachdem die bereits 21. Passionsspiele 2020 coronabedingt abgesagt werden mussten, hat man sie auf heuer verschoben und für manche Schlüsselpositionen eine neue Besetzung gesucht. Da sich die Laien aufgrund des intensiven Programmes und der vielen Vorstellungen abwechseln, ist jede Rolle doppelt besetzt.
Die beiden Christusdarsteller sind heuer eben Florian Grabner sowie Christoph Reisner, ausgebildeter Videojournalist, Gartenbauunternehmer und Hobby-Schauspieler.
Grabner, ein angehender Lehrer, ist quasi mit den Passionsspielen aufgewachsen: Bereits im Jahr 2005 stand er als damals Dreieinhalbjähriger an der Seite seiner Eltern als kleiner Komparse auf der Bühne und wuchs von einer Rolle in die Nächste. 2010 mimte er bereits einen der Buben, fünf Jahre später schlüpfte er in die Rolle von einem der zwölf Apostel. „Jetzt bin ich befördert worden“, scherzt Grabner. Er ist außerdem auch noch Musiker der Stadtkapelle, Sänger und Schlagzeuger in einer Band.
Textsicherheit
Er absolvierte gerade seinen Grundwehrdienst bei der Gardemusik Wien, als man ihn gefragt hat, ob er als Christus am Kreuz sterben und danach die Auferstehung feiern will. Lange überlegte der 2-Meter-Mann nicht, wenngleich er sich der Verantwortung bewusst ist. Schon vor den ersten Proben im vergangenen Jahr verlangte Regisseur und Bühnenbildner Manfred Waba Textsicherheit. „Und der Jesus hat in drei Stunden auf der Bühne viel zu sagen“, so Marosch.
Siebzehn A4-Seiten Text mussten bei den beiden Christus-Darstellern in Fleisch und Blut übergehen. Genauso wichtig ist, dass auch Mimik und Gestik sitzen. „Ich habe mich vor den Spiegel gestellt und trainiert und trainiert“, schildert Florian Grabner. Da auch seine Mutter und sein Vater bei dem Stück mitwirken und sein Bruder einen Apostel spielt, wurden Dialoge zu Hause am Tisch geübt. „Ich liebe es, mich in diese Rolle hineinzusteigern“, sagte der 20-Jährige.
Auch 2.000 Jahre nach Christus hat die biblische Geschichte nicht an Bedeutung verloren, im Gegenteil, meint man in der Passionsspiel-Stadt.
Es sei gerade in der heutigen Zeit eine wichtige Botschaft, die man in die Öffentlichkeit transportiere, sagt Florian Grabner. „Ich will die Bühne nutzen und die Werte von Nächstenliebe, Gerechtigkeit und Respekt weitergeben. Wenn nur ein paar Menschen aus dem Publikum diese Message mitnehmen, ist meine Aufgabe erfüllt“, erklärt der Laiendarsteller. Durch die Worte Christus sollen möglichst viele Menschen berührt und zum Nachdenken angeregt werden.
Gleich geblieben ist nach 90 Jahren Passionsspiele der Lohn für alle Mitwirkenden. Nach jeder Vorstellung wird gemäß der alten Tradition Brot und ein Glas Milch gereicht.
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