Die Zukunft des Lernens ist schon da

Schüler der Privaten Mittelschule in Zwettl lernen Englisch nur noch am Laptop.
Eine Waldviertler Schule übernimmt beim Vermitteln einer "vierten Kulturtechnik" Vorreiterrolle.

Stefan, 14, gehört zu den Vifzacks seiner Klasse. Er tippt mit seinem rechten Zeigefinger zielsicher auf einem berührungssensiblen Tablet herum. Und er reiht auf dem Bildschirm bausteinähnliche, digitale Felder mit verschiedenen Funktionen aneinander, mit denen ein programmierbarer Roboter gesteuert werden kann. "Lego EV3 Mindstorms" heißt das modulare Baukastensystem, mit dem Schüler die Grundlagen für Robotik und Programmierung spielerisch und nach pädagogischen Grundwerten erlernen können. "Es macht sehr viel Spaß, mit der Technik so viele tolle Sachen zu gestalten", sagt Stefan.

Durch die Vielfalt an digitalen Unterrichtsthemen in seiner Privaten Neuen Mittelschule (PNMS) in Zwettl, Niederösterreich, und sein eigenes Interesse reichen seine Fähigkeiten schon deutlich weiter. "Visual Basic", wie eine gängige Programmiersprache heißt, ist ihm längst nicht mehr fremd. "Damit habe ich daheim schon eine Benutzeroberfläche für den PC geschrieben, damit er automatisch erkennt, ob ein Fernsehgerät oder Radio angeschlossen ist, und den Ton sofort abspielt", erzählt Stefan.

Schule 4.0

Die Zukunft des Lernens ist schon da
Digitale Grundbildung, Private Neue Mittelschule Zwettl

Obwohl das Bildungsministerium eben erst vor Kurzem "Schule 4.0 – jetzt wird’s digital" ausgerufen hat, geht die Waldviertler Schule schon seit mehreren Jahren einen digitalen Weg. "Es geht uns darum, den Kindern neben Lesen, Schreiben und Rechnen auch eine vierte Kulturtechnik zu vermitteln", sagt Direktor Gerhard Uitz. Er umschreibt damit die digitale Kompetenz. Aus seiner Sicht müssen die Schüler für die Zukunft vorbereitet werden, damit sie einen kritischen Blick auf die neuen Medien bekommen und damit richtig umgehen lernen. Dabei geht es um das Wissen über Technik, Datensicherheit im Internet, Urheberrechte, Schutz der Privatsphäre und vor Cyber-Kriminalität sowie um Programmierung und Coding.

Manuel zeigt vor, wie das Programmieren in der "Education Version" des unter Teenagern beliebten Computerspiels "Minecraft" funktioniert. Der 13-Jährige zieht eine farblich unterlegte Funktion in ein Bildschirmfenster, damit eine Figur in einer virtuellen, dreidimensionalen Welt den Befehl erhält, eine Mauer zu bauen. "Es klappt", sagt Manuel. "Wir beobachten, dass nicht automatisch leistungsstarke Schüler auch die besseren Programmierer sind", sagt Informatiklehrer Martin Stadler: "Wir nutzen die Technik auch dafür, dass wir unsere Schüler (von zehn bis 14 Jahren) schrittweise an das Ziel heranführen."

e-Learning

Gleich im Nebenraum haben die Schüler der ersten Klasse Englisch-Unterricht. Anstelle von Schulheften hat jeder einen Laptop vor sich. Über einen zentralen Server besitzen die Jugendlichen Zugriff auf den digitalen Klassenordner, in dem die Übungsdateien abrufbar sind. Jeder Schüler blickt auf den Bildschirm, liest seine Aufgaben und tippt das Ergebnis über das Display in ein Feld. "Bei mir gibt es keine Hausübungshefte mehr. Ich nutze die vielfältigen Methoden von eLearning-Tools und Lern-Apps wie ‚Kahoot!‘, um den Wissensstand der Schüler spielerisch abzufragen. Per Knopfdruck erfahre ich, wen man noch an die Hand nehmen muss", sagt Lehrerin Julia Prohaska.

Stefan Schmid, Leiter der virtuellen Pädagogischen Hochschule des Bundes, sieht die Zwettler Mittelschule als "Vorreiter in Sachen digitale Grundbildung." Sie sei ein Paradebeispiel dafür, wie modernes Lernen aussehen soll. Ihm geht es darum, Schülern Freiraum zu schaffen, um sich je nach Leistungsstärke weiterzuentwickeln. "Der Lehrer übernimmt dabei immer mehr die Funktion eines Coachs", betont Schmid. Deshalb plädiert er auch dafür, dass der Unterricht "gespiegelt" werden soll, was quasi das Aus des Lehrers an der Tafel bedeutet. Sein Konzept: Die Hausaufgabe besteht darin, über Lernvideos neue Inhalte zu erfahren. Somit bekommen die Lehrer im Unterricht jene Zeit geschenkt, die sie brauchen, um Schülern bei ihren Aufgaben individuell helfen zu können.

Während in einigen Schulen Österreichs das digitale Zeitalter längst begonnen hat, startet das Bildungsministerium jetzt mit der generellen Umsetzung einer Strategie. Es geht um drei Säulen – den Ausbau der Infrastruktur in den Schulen, digitale Grundbildung ab der Volksschule und die entsprechende Lehrerweiterbildung.

Sollen Kleinkinder von Tablets, Smartphones oder Laptops ferngehalten werden? „Das Fernhalten wäre kontraproduktiv, weil das Verlangen danach durch Neugierde größer wird. Die Digitalisierung ist ja da“, sagt Bildungspsychologin Christiane Spiel von der Uni Wien.

Die Zukunft des Lernens ist schon da
Christiane Spiel, Expertin für Bildungspsychologie an der Universität Wien

Auf die Dosis und Vorbildrolle komme es an. Wichtig sei daher, wie Eltern ihre Geräte selbst einsetzen. „Wenn sie ständig am Smartphone hängen, wollen Kinder das auch.“ Da der Nachwuchs sehr neugierig sei, solle er jedoch auch einbezogen werde. „Man kann sich zum Beispiel gemeinsam Fotos oder Filme ansehen oder auch etwas im Web suchen. Bei kleineren Kindern lässt das Interesse zumeist auch schnell nach“, sagt Spiel. Wichtig sei jedoch auch, dass die Eltern ihren Kindern nicht nur die virtuelle Welt, sondern auch die Natur näher bringen und auch hier gemeinsame Aktivitäten unternehmen.

Ältere Kinder sollten bei der Suche im Internet die Quellenangaben kritisch hinterfragen. „Die Informationsflut ist so riesig, dass man darauf achten sollte, woher die Daten stammen und wer sie aufbereitet. Vor allem Populisten nutzen das Internet, um kurz und knapp ihre Botschaften zu verbreiten“, sagt Spiel. Daher seien die Eltern gefordert, den Kindern zu zeigen, wie man bei der Informationssuche im Internet die Quellen bewerten kann.

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