Die Welt als Waldviertler Kräuterdorf
Die Rosen duften so wohltuend intensiv, als hätte jemand mit einer Parfumflasche eine sanfte Brise versprüht. Davon riecht Berta Pusi allerdings so gut wie nichts mehr, so sehr hat sie sich schon an das liebliche Aroma gewöhnt.
Die Saisonarbeiterin trägt einen rund 100 Liter großen, um ihre Hüfte gebundenen Sack vor sich her, zupft Rosenblüten und -knospen mit bloßen Händen von den stacheligen Sträuchern, lässt sie in den Sack fallen und wandert durch die engen Reihen des saftig grünen Rosenfelds. Die Arbeit sei mühsam, trotzdem sei sie zufrieden. "Das Geld ist gut", sagt die 39-jährige Mutter von drei Kindern. Sie zählt zu jenen Dutzenden Erntehelfern, die in Rumänien – indirekt – im Dienst der Waldviertler Bio-Firma Sonnentor stehen.
Nur einen Steinwurf vom Rosenfeld entfernt liegt die "Strada Argesului", die beim Entlanggehen einem Ort in Niederösterreich ähnlich sieht. Links und rechts der asphaltierten Straße befinden sich hinter schulterhohen Zäunen schmucke Einfamilienhäuser und gepflegte Gärten. Der Ortsteil hat Dorfcharakter, gehört allerdings zu Reghin (Reen) – einer rumänischen Stadt im Norden des siebenbürgischen Beckens, in der über 33.000 Einwohner leben.
Dort führt Csaba Szakacs den ersten Demeter-zertifizierten Bio-Betrieb in Rumänien, der seit dem Jahr 2002 Sonnentor aus Sprögnitz bei Zwettl etwa mit Rosen- und Holunderblüten, Ringelblumen, Hagebutten, Heidelbeeren oder Kamillen beliefert. Rund 25 Tonnen Rohware sind es jetzt pro Jahr.
Absatzmärkte
Sonnentor-Chef Johannes Gutmann sieht seine Partnerschaften auf vielen Erdteilen – wie jene in Rumänien – als Stütze, um die Rohstoff-Mengen zu bekommen, die er benötigt, um weiter zu wachsen – und nützt sie gleichzeitig als fruchtbaren Nährboden für weitere Absatzmärkte. "Nur mit den Mengen aus dem Waldviertel würden wir bereits an Grenzen stoßen. Wir arbeiten aber völlig grenzenlos", sagt Gutmann. Während er in Österreich Anbauflächen im Ausmaß von zirka 1000 Hektar besitzt, sind es 450 Hektar im Ausland.
Damit sein rumänischer Bio-Bauer Szakacs seine Arbeit bewältigen kann, hat er einerseits zehn fixe Mitarbeiter, andererseits Dutzende Teilzeitkräfte. "Je nach Saison sind es 20 bis 100 Erntehelfer", betont der Landwirt.
An diesem Samstagvormittag arbeiten etwa Olivia, 18, und ihr Ehemann Marius, 29, auf einem Holunderfeld. Mit gelbem Blütenstaub übersäte T-Shirts deuten an, dass sie seit Stunden tätig sind. Obwohl der 29-Jährige eigentlich Forstarbeiter ist, hilft er seiner Frau, damit er sich "zu Hause nicht fadisieren muss".
Immerhin schaffen vier Hände fast doppelt so viel wie zwei. Und das zählt, weil Erntehelfer pro Kilogramm bezahlt werden. "Wir haben innerhalb von fünf Stunden 60 Kilo geschafft", erzählt Olivia. Sie bekommt zwei rumänische Lei (Anm: umgerechnet 50 Cent) pro Kilo. Das sei ganz okay, sagen sie. Im Vergleich dazu macht ein durchschnittlicher Lohn in Rumänien zwischen 400 und 500 Euro aus.
Nicht nur mit seinen rumänischen Partnern betreibt Gutmann ein eigenes Anbauprojekt, sondern auch mit weiteren – etwa in Nicaragua, Albanien, Neuseeland, Tansania, Tschechien und China. Dazu kommen 20 weitere Händler. Bei Letzteren "haben wir uns ein Durchgriffsrecht gesichert, damit wir sicherstellen können, dass es unseren Bauern und Helfern gut geht", betont Gutmann.
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