Die vielen Seiten von acht Milliarden Euro

Die vielen Seiten von acht Milliarden Euro
Same procedure as every year: Das Landesbudget wird im Landtag zerpflückt und am Ende doch beschlossen.

Wer kann das lesen, was steht da?", fragt die Führerin die Schulklasse. "Budgetdebatte", schallt es aus der Volksschülergruppe zurück. "Psssssssssst", bemüht sich die Lehrerin um Ruhe auf der Galerie im Landtagssitzungssaal. "So jetzt geht's ums Gerschtl", raunt ein älterer Kiebitz seinem Sitznachbarn zu. Beide feixen und verfallen dann in stilles Lauschen. Anders die Abgeordneten, die sich bereits am Dienstagvormittag für die zweitägige Budgetdebatte warm redeten.

Am Beginn der Sitzung sorgte schon der Rechnungsabschluss 2014 für Raunen in den Reihen der Mandatare. Etwas mehr als 9 Milliarden Euro hat das Land ausgegeben - 856 Millionen Euro mehr, als man eingenommen hat. 760 Millionen davon dienten übrigens zur Rückzahlung alter Schulden - bleibt ein Netto-Abgang von 96 Millionen Euro.

ÖVP-Landesvize Wolfgang Sobotka startete seine Budgetrede mit Albert Schweitzer: "Wagen wir die Dinge so zu sehen, wie sie sind." Um den Abgeordneten anschließend einen ernüchternden Haushaltsplan 2016 zu präsentieren: Fast vier Prozent weniger Einnahmen (7,9 Milliarden Euro), um etwa ein Prozent gesenkte Ausgaben (8,1 Milliarden Euro), ein Brutto-Abgang von 214 Millionen Euro (Maastricht-Minus: 79,6 Millionen Euro). Wiewohl sich die Rahmenbedingungen geändert hätten, seien die Bedürfnisse der Landesbürger immer die gleichen: "Es geht um Arbeitsplätze, um wirtschaftlichen Erfolg, um leistbares Wohnen oder um ein Altern in Würde."

Diese Bedürfnisse zu erfüllen sei Ziel des Budgets, die Erfüllung aber schwierig. Sobotka beklagte sinkende Ertragsanteile vom Bund und "Ungerechtigkeiten" bei der Verteilung von Steuermitteln sowie finanziellen Schaden durch die Hypo-Abbaugesellschaft HETA. Trotzdem erfülle man mit den vorgelegten Budgetzahlen "alle Vorgaben des Stabilitätspaktes und der EU. Und unsere Maastricht-Schulden sinken". Die Veranlagung des Landes sei zudem "ein blau-gelbes Sparbuch, das schwarze Zahlen schreibt". Reformen der Vergangenheit würden zum guten Weg beitragen: "Wir haben 1300 Posten im Landesdienst abgebaut, eine Besoldungsreform und ein neues Spitalsärztegesetz durchgesetzt." Gemeindezusammenlegungen, "für die andere jetzt gelobt werden, haben bei uns bereits in den 70er-Jahren stattgefunden". Heute gehe man den Weg der Gemeindeverbände, die Infrastruktur gemeinsam nutzen. Darum biete das Budget auch diesmal Spielraum für wichtige Landesprojekte.

Kritik

Mit ihrem kräftigen Applaus für Sobotka blieb die ÖVP im Landtag weitgehend allein und die Opposition machte rasch klar, warum. Die Grüne Klubchefin Helga Krismer gestand zwar zu, dass Budgeterstellungen in Zeiten wie diesen nicht einfach seien. "Ein Budget muss sicher sein." Sobotka halte sich aber seit Jahren nicht an seine eigenen Budgetpläne. "Warum sollte ich als Opposition also zustimmen?" Krismer rechnete vor, dass "Erträge aus den Spekulationsfonds nicht einmal die Zinsen, die das Land auf Schulden zahlen muss, abdecken". Auch sei in der Budgetrede keine einzige Reform präsentiert worden. Um diese Mängel aufzuzeigen, sei eine Trennung von Opposition und Regierung wichtiger denn je. "Das ist nur mit einer Abschaffung des Proporzes möglich. Schade, dass die SPÖ hier die Zeichen der Zeit nicht erkennt und weiter blockiert."

FPÖ-Klubobmann Gottfried Waldhäusl meinte zum Budgetfahrplan: "Wir können bei dieser Fahrt nicht einsteigen, wir bleiben bei den Bürgern." Er sprach wörtlich vom "Budget der Schande". Bei den Bürgern werde gespart, im Gegenzug werde aber die Rundfunkabgabe erhöht. Das Budget biete keine Antwort auf die Situation, "dass sich immer mehr Familien das tägliche Leben nicht mehr leisten können". In 30 Anträgen werde die FPÖ während der zweitägigen Budgetdebatte Lösungen für aktuelle Probleme anbieten, kündigte Waldhäusl an. "Diesem Budget des Schuldenchaos werden wir aber sicher nicht zustimmen."

Für die Liste FRANK eröffnete Walter Naderer die Haushaltsdebatte. Er könne im Budget keine neuen Ansätze finden und ortet zu wenig Investitionen in moderne Kommunikations-Infrastruktur. "Die Prioritäten der Bevölkerung haben sich verschoben. Gefragt ist als erstes leistungsfähiges Internet, dann leistbares Wohnen und erst dann geht es um vernünftige Verkehrsverbidnungen." Naderer regte an, dafür Geld vom Kultursektor abzuziehen: "Die Museen und Kunstschätze laufen uns nicht davon, die jungen Leute und die Unternehmer dagegen schon." Die Liste FRANK werde dem Haushaltsentwurf nicht zustimmen.

Für die SPÖ - mit der ÖVP in einem Arbeitsübereinkommen verbunden - schritt Klubchef Alfredo Rosenmaier zur Verteidigung des Budegtentwurfs. "Er musste unter noch schwierigen Bedingungen erarbeitet werden, als in den vergangenen Jahren." Sinkende Einnahmen und Defizitabbau würden ein enges Korsett vorgeben. Trotzdem würden 20 Prozent der Ausgaben in Pflege und Gesundheit fließen. "Rechnet man die Spitäler dazu erhöht sich dier Anteil auf satte 49 Prozent", so Rosenmaier. Insgesamt sei Niederösterreich in seiner Finanzpolitik sehr seriös unterwegs.

"Wir können für uns in Niederösterreich in Anspruch nehmen, dass wir laufend verändern. Bei uns gibt es keinen Stillstand", sagte ÖVP-Klubobmann Klaus Schneeberger im Blick auf "das Reformland" Steiermark. Daher sei das Land in der Lage, wichtige Bedürfnisse zu befriedigen. "Es ist ein Budget der Ausgewogenheit, der Eigenverantwortlichkeit und mit Augenmaß." In Richtung der SPÖ meinte Schneeberger: "Beim Vergleich der letzten Legislaturperiode mit den letzten zwei Jahren zeigt sich, dass Zusammenarbeit kleine Dinge groß macht." In der vergangenen Periode hatte die SPÖ auf Ablehnung des Budgets gesetzt. Am Donnerstagabend wird der Landeshaushalt 2016 mit den Stimmen von ÖVP und SPÖ beschlossen werden.

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