Die Gebeine des Landespatrons

Prozession zu Leopoldi: An der Spitze wird die Schädelreliquie des Landespatrons getragen
Wie bei Heiligen üblich, wurden auch von Leopold Stückchen abgezwackt.

Nichtkatholiken kann das Schauspiel schon schrullig scheinen: Hunderte Menschen folgen einem verhüllten Schädel – eine Öffnung im geschmückten roten Samt erlaubt den Blick auf die Stirnplatte.

Mit einer Prozession, an deren Spitze die Schädelreliquie Leopolds III getragen wird, gedenkt man heute in Klosterneuburg des Babenberger Markgrafen. Rund 12.000 Besucher werden das Stirnbein des Heiligen nach Ende der mehrtägigen Feierlichkeiten heuer gesehen haben. Die dazugehörigen Gebeine befinden sich ebenfalls in Klosterneuburg. Größtenteils – wie bei Heiligen üblich, wurden auch vom Landespatron kleinere und größere Stücke verteilt. Wurden und werden.

So wurden wohl in die meisten Altäre der Kirchen, die Leopold geweiht sind, Knochenpartikel eingearbeitet. "Erst vor zwei Jahren hat eine Kapelle in Italien um eine Reliquie angesucht und eine bekommen", erklärt Walter Hanzmann, Sprecher des Stifts Klosterneuburg. Stifts-Archivar Karl Holubar ergänzt: "Natürlich ist man da sehr restriktiv. Der Vorrat ist ja nicht unerschöpflich..."

Anstößiges Becken

Die meisten Reliquien sind nur wenige Millimeter groß. Kunsthistorisch und anatomisch interessanter ist jene, die im Rahmen einer Ausstellung im Stephansdom gezeigt wird: Ein reich verzierter Beckenknochen – allerdings als Scapula (lat.: Schulterblatt) bezeichnet. "Kann sein, dass es sich um einen Fehler handelt. Eine andere Erklärung ist, dass man die Bezeichnung Becken aus Schicklichkeit vermieden hat", erklärt Klaus Brunner, Chef der Domführer.

Im Horner Höbarthmuseum wurde erst vor kurzem eine Monstranz mit einer Reliquie Leopolds wiederentdeckt. Kleine Reliquiare mit Knochenstückchen Leopolds werden heute bei großen Leopoldi-Messen in der Wiener Neustädter Vorstadtkirche und in Klein-Mariazell auf dem Altar stehen. Auch im Stift Heiligenkreuz gedenkt man des Gründers des Klosters. Dort sind mit Leopold IV, Leopold V, Friedrich I und Friedrich II, dem streitbaren und gleichzeitig letzten gleich vier Babenberger beigesetzt vom Heiligen hat man aber nur eine kleine Reliquie.

"Wir sind für die Babenberger so etwas wie die Kapuzinergruft für die Habsburger. Den Heiligen lassen wir aber gerne den Klosterneuburgern", meint Pater Karl Wallner lachend.

Nicht auf ebay

Wo Leopold draufsteht, ist in aller Regel auch Leopold drin: Eine wundersame Reliquien-Vermehrung wie bei anderen Heiligen schließt Experte Holubar aus: "Das betrifft vor allem Heilige aus früheren Jahrhunderten. Klosterneuburg wurde nie geplündert oder devastiert. Die Gebeine waren immer hier. Da fiele es auf, wenn es manches plötzlich öfter gäbe."

Den Handel mit Reliquien hat die Kirche längst verboten. Auf ebay finden sich dennoch immer wieder Stücke. Den Heiligen Leopold gibt es derzeit aber nicht.

Kommentare