Das Hauptstadt-Kunststück der SPÖ
Die Partynacht des Matthias Stadler dürfte etwas länger gedauert haben. Montag, gegen drei Uhr Früh, postete der Bürgermeister auf seiner Facebook-Seite das Wort "Amore" und dazu ein Herz. Den Slogan hatte die SPÖ auch im Wahlkampf verwendet, der ganz auf den 50-Jährigen zugeschnitten war.
Ganz anders die Stimmung bei der ÖVP, die mehr als fünf Prozent einbüßte und damit zwei Mandate verlor. Ob Matthias Adl weiter Vizebürgermeister und Stadtparteichef bleiben wird, werden die kommenden Tage zeigen. "Derzeit gibt es keine Rücktrittsdiskussion", beharrt man in der Partei.
Das katastrophale Abschneiden der Grünen, die erstmals seit 1997 auf ein Mandat zurückfielen, hatte bereits am Wahlabend Konsequenzen. Spitzenkandidatin Nicole Buschenreiter warf das Handtuch, Grüne-Geschäftsführer Markus Hippmann soll ihr folgen. Er selbst hält sich noch bedeckt. "Wir werden in den kommenden Monaten entscheiden, wie es weitergehen soll. Tatsache ist, dass wir jetzt aber wieder von Null starten müssen." Dass die Öko-Partei seit Sonntag bei mageren 2,74 Prozent liege, sei "keine einfache Situation". Hippmann: "Es gibt aber durchaus Potenzial. Bei der letzten Landtagswahl haben die Grünen in St. Pölten mehr als neun Prozent erzielt."
Angriff
Ihr Potenzial nicht ausgeschöpft haben auch die Freiheitlichen, meinen Polit-Beobachter. Obwohl sie am Wahlabend mit 3,99 Prozent die meisten Zugewinne verbuchen konnten. Allerdings hatte man der Mannschaft um Klaus Otzelberger im Vorfeld sogar eine Verdoppelung der Stimmen zugetraut. Doch daraus wurde nichts, Otzelberger lässt sich die Stimmung dadurch nicht kaputt machen.
"Uns haben 1500 Menschen mehr gewählt als noch vor fünf Jahren. Unser Ziel muss es sein, beim nächsten Mal die ÖVP zu überholen." Mehr Gewicht haben die Blauen nun jedenfalls im Stadtrat. Ein Sitz mehr, die Schwarzen müssen einen abgeben.
St. Pölten hat am Sonntag seinen Ruf als rote Hochburg zementiert. Im Konzert der Landeshauptstädte ist es die mächtigste Bastion: Die 59-Prozent-Mehrheit ist einzigartig. Außer Eisenstadt – dort hat die ÖVP 2012 50,2 Prozent erreicht – gibt es keine Landeshauptstadt, die absolut regiert wird.
Warum schafft die SPÖ dieses Kunststück ausgerechnet mitten im schwarzen Niederösterreich? Die Antwort darauf ist vielschichtig. Historisch betrachtet, lieben die St. Pöltener Wähler ihre roten Bürgermeister. In der gesamten Zweiten Republik lag die SPÖ in der Arbeiterstadt nur einmal unter 50 Prozent Zustimmung (1960, 47,3%). Den Rekord stellte Stadlers Vorgänger und Langzeitbürgermeister Willi Gruber 1986 mit 62,5 Prozent auf.
Wahlkampf
Angesichts dieser Bilanz hatte die ÖVP traditionell immer wenig Appetit auf Materialschlachten in St. Pölten. Auch diesmal war es ein Themenwahlkampf ohne besondere Highlights. Und wenn am Sonntagabend ÖVPler auch den großen Einsatz aller schwarzen Funktionäre beteuerten – gegen das kostenintensive Wahlkampf-Feuerwerk von Stadlers SPÖ war das alles nichts. Landespolitisch betrachtet, hat die ÖVP keinen Grund, zur Attacke auf Stadler zu blasen: Bei Landtagswahlen liegen die Schwarzen in der Stadt meilenweit vor den Roten (2013: ÖVP 47,4%, SPÖ 24,28%).
Was der SPÖ in St. Pölten noch hilft, ist die Tatsache, dass sich bisher keine Opposition verfestigen konnte. Vor sechs blauen Mandaten hält sich das Zittern der 26 SPÖ-Abgeordneten in Grenzen. Und die Grünen haben sich überhaupt pulverisiert. Ein einziges Mandat bleibt für jene Partei, die in urbanen Zentren eigentlich ihre Hochburgen hat. So wenig Grüne gibt es in keiner anderen Landeshauptstadt.
Der ÖVP ist ihr größter Gemeinde-Coup im Vorjahr gelungen, als man Wiener Neustadt von der SPÖ eroberte. Dort aber hatte die Regierung schon vor der Wahl gewaltig gewackelt. Anders in St. Pölten: Die Hauptstädter haben an Stadlers Arbeit wenig auszusetzen. Selbst wenn Großbetriebe wie die Glanzstoff oder das Voith-Papierwerk zusperren und Hunderte Jobs verloren gehen; oder ein risikoreicher Finanzdeal die Stadt Millionen kostet: In der Wahlzelle gibt’s dafür keinen Denkzettel. Und auch das gehört zum Polit-Phänomen St. Pölten.
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