Bundesheer als lärmender Nachbar

Seit 60 Jahren übt das Bundesheer in Allentsteig
Der Truppenübungsplatz gehört seit 60 Jahren dem Militär und ist ein regionaler Wirtschaftsfaktor.

"Schießlärm? Den hör’ ich schon lange nicht mehr", erzählt ein Bewohner aus Allentsteig im Bezirk Zwettl, während er gemütlich im Café sitzt. Auch wenn im Schnitt an 200 Tagen pro Jahr mit teils scharfer Munition geschossen wird, haben sich die meisten im Ort an die Gefechtsübungen des Bundesheeres gewöhnt. Auch wenn die auf dem nahen Truppenübungsplatz (TÜPl) Allentsteig im Waldviertel nicht selten bis spätnachts ablaufen.

Immerhin ist das Militär schon seit 60 Jahren im Besitz des fast 157 Quadratkilometer großen Sperrgebiets (im Vergleich so groß wie Liechtenstein) und ein lärmender Nachbar. "Seit heuer heißt das Areal übrigens Gefechtsübungszentrum", korrigiert TÜPl-Kommandant Josef Fritz. Noch immer wird das militärische Gelände als wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region gesehen. Inwieweit das Argument noch zutrifft, hat der KURIER anlässlich des 60-jährigen Jubiläums bei einem Lokalaugenschein in Allentsteig versucht herauszufinden.

Das Renaissanceschloss im Ortszentrum ist die Kommandozentrale des Truppenübungsplatzes. Pardon. Gefechtsübungszentrums. Von hier aus leitet Josef Fritz mehrere Dienststellen wie das militärische Servicezentrum (EDV, Gebäudeverwaltung), Heeresforste, Munitionslager, Militärpfarre oder Verpflegung. "Wir haben 264 Bedienstete. Gemeinsam mit der Liechtensteinkaserne kommen wir auf mehr als 500 Beschäftige", erklärt Fritz. In einer strukturschwachen Region, wie dem Waldviertel, seien das wichtige und auch sichere Jobs. "Die Mitarbeiter und deren Familien sowie übende Soldaten aus dem In- und Ausland generieren im Waldviertel eine hohe Wertschöpfung", betont der Kommandant. Wurden 2004 vom Bundesheer laut einer Studie noch 22 Millionen Euro (etwa für Einkäufe und Gehälter) genannt, dürfte diese Summe seither zurückgegangen sein. Aktuelle Zahlen will man keine nennen. Fakt ist: Seit die Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG) beauftragt ist, Anschaffungen – auch für das Heer – österreichweit auszuschreiben, sehen viele regionale Firmen keinen militärischen Cent mehr. "Wir machen nicht mehr mit, weil die Mitbewerber zu Konditionen anbieten, die geschäftsschädigend sind. Nur der Bund darf sich freuen", sagt Christof Kastner, Lebensmittelgroßhändler aus Zwettl und Obmann des Waldviertler Wirtschaftsforums. Auch das Essen wird seit 2011 nicht mehr direkt in Allentsteig gekocht, sondern für alle nö. Kasernen in Wiener Neustadt zubereitet und zwei Mal wöchentlich mit dem Lkw ausgeliefert. Zumindest "als Arbeitgeber ist das Heer weiterhin ein wichtiger Faktor. Steuern und Gehälter fließen in die Region", betont Kastner.

Neue Geschäftsfelder

Heeresreformen waren zuletzt dafür verantwortlich, dass sich Betriebe in Allentsteig andere Standbeine aufbauen mussten. "Als die Soldaten auch am Wochenende noch in der Kaserne bleiben mussten, ging abends im Ort die Post ab. Jetzt trifft man nur noch selten Heeresbedienstete", sagen Rainer und Ingeborg Klang, die ihr Wirtshaus nur mehr öffnen, wenn eine Feier gebucht ist. "Unser Hauptgeschäft ist jetzt die Produktion von handgemachten Fleisch-, Kartoffel- oder Grammelknödel. Damit beliefern wir den Rewe-Konzern", sagen die Klangs.

Auch der Fleischer musste reagieren. "Früher hatten wir mit Jugendheim, Spital und Heer drei Großabnehmer. Jetzt keinen mehr. Den Soldaten entgeht die beste Blunzn Österreichs", scherzt Chefin Sissy Klang: "Mittlerweile werden unsere Produkte aber auch online aus ganz Österreich bestellt."

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