Bürger dürfen nur scheinbar mitreden
Die Umgestaltung des Hauptplatzes, Unterkünfte für Asylwerber oder eine neue Straße. Ach ja, die Windräder sowieso. Volksbefragungen liegen in Niederösterreichs Gemeinden im Trend, die Themen sind vielfältig. Mitunter treibt die neu entdeckte Liebe zur direkten Demokratie in den Kommunen aber seltsame Blüten.
Abstimmungen, die kaum jemanden interessieren, absurde Fragestellungen, Volksentscheide über Angelegenheiten, für die die Gemeinde gar nicht zuständig ist (siehe unten). "Es entwertet das Instrument, wenn es zu Showzwecken genutzt wird", warnt auch Politikberater Thomas Hofer im KURIER-Gespräch.
Längst entschieden
Wie am 13. März in der 1700-Einwohner-Gemeinde Wolfsgraben im Bezirk Wien-Umgebung. Dort entscheiden die Bürger nämlich über längst Entschiedenes. Wenn sie abstimmen, ob das Gemeindeamt vom alten Rathaus in ein modernes Bürogebäude übersiedeln soll, tun sie das am neuen Standort. Der Umzug ist seit dem vergangenen Wochenende praktisch abgeschlossen.
"Wir haben den Grundsatzbeschluss schon im Herbst gefasst", erklärt ÖVP-Bürgermeisterin Claudia Bock. Grund seien die fehlende Barrierefreiheit und der allgemein schlechte Zustand des Rathauses.
Josef Pranke und seine Bürgerliste "Aktives Wolfsgraben" gingen in der Folge in die Offensive, sammelten die nötigen Unterschriften für eine Volksbefragung. Man wittert Privatinteressen ehemaliger ÖVP-Politiker hinter dem Umzug, kritisiert die Kosten und sieht die Bemühungen, einen Ortskern zu schaffen, sabotiert.
Zur kuriosen Situation kam es, weil sich die Prüfung der Unterschriften und die Fixierung des Mietvertrages fürs neue Gebäude überschnitten haben. Pranke sieht Kalkül: "Die Prüfung der Unterschriften wurde verschleppt." Deshalb beharrte er auch auf der Abstimmung – obwohl klar war, dass die Sache gegessen ist.
Absurdität in die Situation bringt die Fragestellung: "Soll das Gemeindeamt am jetzigen Standort bleiben (...)?" Gemeint ist mit dem "jetzigen" der ehemalige.
Die Kosten für die Befragung liegen laut Bürgermeisterin bei rund 4500 Euro.
Minderheitenrecht
Matthias Kopf von der Abteilung Gemeinden des Landes Niederösterreich bestätigt den Trend zu Volksbefragungen. Aber: "Die Zahl wird nicht erfasst, weil wir nur bei Problemen damit beschäftigt werden, aber eine Zunahme merken wir natürlich."
Möglich macht das die Gemeindeordnung. Eine Befragung ist obligatorisch, wenn zehn Prozent der Wahlberechtigten sie fordern. Ist die Sache zwischenzeitlich erledigt, kann der Initiator wie in Wolfsgraben auf der Durchführung beharren. "Natürlich kann es da zu kuriosen Ergebnissen kommen", erklärt Kopf.
Trotzdem ist die Regelung so gewollt: Der Gemeinderatsmehrheit soll die Möglichkeit genommen werden, das Minderheitenrecht zu unterlaufen, indem eine Volksbefragung einfach mit einem Gemeinderatsbeschluss überholt wird. Kopf: "Am einfachsten vermieden werden, können solche Fälle mit dem Beschluss, die Befragung abzuwarten."
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