Bürger bremsen Windkraft-Ausbau
Es wird eng, verdammt eng im Land. Es gibt kaum eine niederösterreichische Gemeinde mehr, in der in den letzten Monaten nicht ein Windrad-Betreiber angeklopft hat. Die Branche boomt wie selten zuvor. Die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima und der Trend zur Alternativenergie lassen die Propeller vielerorts wie Schwammerln aus dem Boden schießen. Allein heuer werden im Land 73 neue Windräder montiert (s. Grafik).
Der Plafonds ist offensichtlich noch lange nicht erreicht. Beim Energieversorger EVN häufen sich die Anmeldungen von Windrad-Firmen. 43 Unternehmen buhlen um die besten Standorte. Insgesamt liegen Anmeldungen für insgesamt 3500 Megawatt quer durch das Land vor – wobei die meisten Anlagen im Wein-, Waldviertel und im südlichen Niederösterreich geplant sind. Konkret bedeutet das, dass bis zum Jahr 2030 an die 1000 Windräder aufgestellt werden könnten. Doch die Praxis sieht anders aus. Laut EVN-Sprecher Stefan Zach bleibt nur ein Viertel bis ein Drittel davon übrig.
Lokale Initiativen
Apropos Widerstand: Den gibt es mittlerweile zuhauf. Im Wein- und im Waldviertel haben sich örtliche Initiativen zu einem überregional agierenden Netzwerk zusammengeschlossen. Sie wettern gegen die befürchtete Windrad-Invasion und sorgen sich um die Verschandelung der sanften Hügellandschaft. Wie im Bezirk Waidhofen/Thaya: In der ersten Ausbaustufe – ab 2014 – sind am „Predigtstuhl“ in der Gemeinde Großsiegharts fünf Großwindräder geplant. Zumindest über einen Teilerfolg dürfen sich deren Gegner bereits freuen. Vizebürgermeister Gerhard Matzinger will nun alle Bürger in Großsiegharts über das Projekt abstimmen lassen. „Die Ablehnung ist derart stark zu spüren, dass eine Volksabstimmung Sinn macht“, sagt er. Bei der nächsten Gemeinderatssitzung will er den Antrag dafür stellen.
Den Windkraft-Raumordnungsplan wird es laut Umweltlandesrat Stephan Pernkopf aber auch künftig nicht geben. Pernkopf vertraut auf die strengen Gesetze, in denen auch dem Landschaftsschutz ein gewichtige Rolle zukomme. „Ich lege großen Wert darauf, dass die Entscheidungen vor Ort fallen. Diese Energiegewinnung muss von den Menschen mitgetragen werden.“
Gabriela G. ist eine streitbare Frau. 2003 wurde der Lehrerin aus NÖ ein Windpark „vor die Türe“ gesetzt. Seit damals stehen im Abstand von rund 1000 Metern zu ihrem Grundstück drei Windriesen. Informiert war G. über das Projekt nicht worden – oder zumindest unzureichend, wenn man dem Urteil des Obersten Gerichtshofes folgt. G. klagte auch wegen „akustischer Tief- und Hochfrequenzen, hörbarer Impulstöne, Schattenwurf und dem Discoeffekt“. Was auf dem Papier nach spröder Techniker-Sprache klingt, hat in der Praxis gesundheitliche Auswirkungen auf sie und ihren Sohn, erzählt sie. Unter Schlafstörungen, Nasenbluten und Ohrensausen leiden sie seither. Während die akustischen Frequenzen für das menschliche Ohr nicht hörbar sind, ist der „Flimmer-Discoeffekt“ wahrnehmbar. Dabei handelt es sich um den Schattenwurf der Rotorblätter. Entschieden ist der Fall nicht, im Extremfall droht den Betreibern aber die Stilllegung der Anlagen.
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