Bürger bremsen Windkraft-Ausbau

Windraftanlagen drehen sich am 18.09.2012 vor dunklen Wolken auf einem Feld bei Husum. In Husum findet vom 18.-22.09.2012 die Husum WindEnergy - eine Messe für Windenergie - statt. Foto: Christian Charisius dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
3500 Megawatt sind angemeldet. Das wären bis zu 1000 neue Propeller in der Landschaft

Es wird eng, verdammt eng im Land. Es gibt kaum eine niederösterreichische Gemeinde mehr, in der in den letzten Monaten nicht ein Windrad-Betreiber angeklopft hat. Die Branche boomt wie selten zuvor. Die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima und der Trend zur Alternativenergie lassen die Propeller vielerorts wie Schwammerln aus dem Boden schießen. Allein heuer werden im Land 73 neue Windräder montiert (s. Grafik).

Der Plafonds ist offensichtlich noch lange nicht erreicht. Beim Energieversorger EVN häufen sich die Anmeldungen von Windrad-Firmen. 43 Unternehmen buhlen um die besten Standorte. Insgesamt liegen Anmeldungen für insgesamt 3500 Megawatt quer durch das Land vor – wobei die meisten Anlagen im Wein-, Waldviertel und im südlichen Niederösterreich geplant sind. Konkret bedeutet das, dass bis zum Jahr 2030 an die 1000 Windräder aufgestellt werden könnten. Doch die Praxis sieht anders aus. Laut EVN-Sprecher Stefan Zach bleibt nur ein Viertel bis ein Drittel davon übrig.

Lokale Initiativen

Apropos Widerstand: Den gibt es mittlerweile zuhauf. Im Wein- und im Waldviertel haben sich örtliche Initiativen zu einem überregional agierenden Netzwerk zusammengeschlossen. Sie wettern gegen die befürchtete Windrad-Invasion und sorgen sich um die Verschandelung der sanften Hügellandschaft. Wie im Bezirk Waidhofen/Thaya: In der ersten Ausbaustufe – ab 2014 – sind am „Predigtstuhl“ in der Gemeinde Großsiegharts fünf Großwindräder geplant. Zumindest über einen Teilerfolg dürfen sich deren Gegner bereits freuen. Vizebürgermeister Gerhard Matzinger will nun alle Bürger in Großsiegharts über das Projekt abstimmen lassen. „Die Ablehnung ist derart stark zu spüren, dass eine Volksabstimmung Sinn macht“, sagt er. Bei der nächsten Gemeinderatssitzung will er den Antrag dafür stellen.

Bürger bremsen Windkraft-Ausbau
Jimmy Moser beruhigt das nur bedingt. Der Mitorganisator der Bürgerinitiative „Pro Thayatal“ sorgt sich nicht nur um das Erscheinungsbild einer Gemeinde, sondern um jenes der gesamten Region. Auch in den Bezirken Gmünd, Horn und Waidhofen an der Thaya seien Dutzende Großwindräder geplant. „Das Waldviertel – im Besonderen der Bezirk Waidhofen an der Thaya – darf nicht die Industriezone der Windkraftlobby werden.“ Damit werde die Marke Waldviertel zerstört. Moser spricht von „unkoordiniertem Vorgehen“. „Es gibt keinen Masterplan für NÖ. Jeder Bürgermeister, der in seiner Gemeinde laut Knoll-Studie Potenzialflächen aufweist, wird von den Betreibern einzeln angesprochen.“

Den Windkraft-Raumordnungsplan wird es laut Umweltlandesrat Stephan Pernkopf aber auch künftig nicht geben. Pernkopf vertraut auf die strengen Gesetze, in denen auch dem Landschaftsschutz ein gewichtige Rolle zukomme. „Ich lege großen Wert darauf, dass die Entscheidungen vor Ort fallen. Diese Energiegewinnung muss von den Menschen mitgetragen werden.“

Gabriela G. ist eine streitbare Frau. 2003 wurde der Lehrerin aus NÖ ein Windpark „vor die Türe“ gesetzt. Seit damals stehen im Abstand von rund 1000 Metern zu ihrem Grundstück drei Windriesen. Informiert war G. über das Projekt nicht worden – oder zumindest unzureichend, wenn man dem Urteil des Obersten Gerichtshofes folgt. G. klagte auch wegen „akustischer Tief- und Hochfrequenzen, hörbarer Impulstöne, Schattenwurf und dem Discoeffekt“. Was auf dem Papier nach spröder Techniker-Sprache klingt, hat in der Praxis gesundheitliche Auswirkungen auf sie und ihren Sohn, erzählt sie. Unter Schlafstörungen, Nasenbluten und Ohrensausen leiden sie seither. Während die akustischen Frequenzen für das menschliche Ohr nicht hörbar sind, ist der „Flimmer-Discoeffekt“ wahrnehmbar. Dabei handelt es sich um den Schattenwurf der Rotorblätter. Entschieden ist der Fall nicht, im Extremfall droht den Betreibern aber die Stilllegung der Anlagen.

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