Die Ergebnisse der genetischen Untersuchungen waren überraschend, aber eindeutig: Eine Wildkatze, die durch das Thayatal (Bezirk Hollabrunn) im äußersten Norden Niederösterreichs streift, hat Verwandte in der Wachau, mehr als 60 Kilometer Luftlinie quer durchs Waldviertel entfernt. Und sie sind nicht nur einfach verwandt. "Es besteht sogar eine Geschwister- oder Eltern-Kind-Beziehung. Daraus lässt sich schließen, dass die Wildkatze über Wanderkorridore von der Wachau hierher gelangt ist“, erklärt Christian Übl, Direktor des Nationalparks Thayatal. Dabei handle es sich um "eine kleine Sensation, weil das ein Beweis dafür ist, dass die Wanderkorridore intakt sind und auch genutzt werden“, sagt Übl.
Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass die Anwesenheit der scheuen Tiere in den Wäldern an der tschechischen Grenze überhaupt bekannt ist. "2007 haben wir die als ausgestorben geltende Wildkatze bei uns im Nationalpark entdeckt, das war der Motor für die Forschung in ganz Österreich“, sagt Übl.
LH-Vize Stephan Pernkopf und Christian Übl mit einem Katzen-Transportkasten
Dass die fast hundert Jahre verschwundene Katze wieder in Österreichs Wäldern lebt und sich auf dem Vormarsch befindet, weiß man. Unter anderem durch Lockstöcke. Diese werden mit Baldrian bestrichen, was die Tiere anlockt. Reiben sie sich an dem Holzstock, bleiben ein paar Haare hängen, die dann für gentechnische Analysen dienen. Auch Fotofallen sind im Einsatz.
Neue Erkenntnisse gewinnen
Vieles ist aber unbekannt. Warum, wo und wie weit die Wildkatzen etwa wandern. Warum aus dem tschechischen Teil des Nationalparks im Gegensatz zum NÖ-Teil bis jetzt gar keine Nachweise vorliegen. Oder warum es Fotos von Baby-Katzen aus der Wachau gibt aber keine Anzeichen für Nachwuchs im Thayatal.
Um Antworten auf diese und weitere Fragen zu erhalten, wurde nun eine Pilotstudie gestartet, um erstmals die Lebensraumnutzung und das Wanderverhalten der Tiere genauer untersuchen.
Dazu wurden zwei Findlingskatzen vom Centre Athenas aus Frankreich in den Nationalpark gebracht und mit Sendern ausgestattet. Eine Woche verbringen die rund ein Jahr alten Tiere unter Beobachtung noch in einem Gehege im Wald, dann werden sie in die Freiheit entlassen.
Die Telemetrie-Halsbänder liefert exakte Informationen über den Aufenthaltsort der Wildkatzen. Die Forscher im Thayatal sind daran interessiert, wie das tageszeitliche und jahreszeitliche Verhalten der Tiere ist, welche Lebensräume sie bevorzugen, wie sich Störungen auf das Verhalten auswirken und ob die Thaya überquert wird. Eine derartige Telemetrie-Erhebung wird erstmals in Österreich durchgeführt.
Halsband mit Sender
Die Sender sind ein Jahr lang aktiv, das Halsband fällt mittels einer Sollbruchstelle danach ab. In dieser Zeit sollen die Daten Aufschlüsse über den Bewegungsradius geben. Und er ist groß. Bei Weibchen beträgt die Reviergröße im Durchschnitt 300 bis 500 Hektar, bei Katern 1.200 bis 2.000 Hektar.
Ehrengast und interessierter Beobachter bei der Ankunft der "Franzosen“ war Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf. Der auch den wirtschaftlichen Aspekt des "Wildkatzen-Parks“ ansprach: „Im Zuge dieses sanften Naturtourismus’ kommen jährlich bis zu 100.000 Besucher in das Thayatal.“
Nationalpark feiert 25. Geburtstag
Am Anfang stand ein Protest: Als 1984 bekannt wurde, dass an der Thaya auf tschechischer Seite ein Kraftwerk errichtet werden sollte, war der Aufschrei in NÖ groß. Und war erfolgreich. Statt dem Kraftwerk wurde 1991 in Tschechien ein Nationalpark entlang der Thaya eröffnet. Auf NÖ-Seite wurden 1988 und 1991 Naturschutzgebiete geschaffen, die Vorläufer des Nationalparks waren. Grenzüberschreitend sind insgesamt 7.700 Hektar geschützt, der NÖ-Teil umfasst 1.231 Hektar und damit ist Thayatal der kleinste Nationalpark Österreichs.
Ganz groß ist der "Green Canyon“ aber, wenn es um die Artenvielfalt geht. Hier findet man 40 Prozent aller heimischen Pflanzenarten (1.390 von 3.462) sowie rund die Hälfte der Brutvögel (101 von 217), Reptilien- (7 von 14), Amphibien- (11 von 20) und Schmetterlingsarten (2.226 von 4.115). Bei den Säugetieren sind es sogar 67 von 101 Arten und damit 66 Prozent.
Am 25. Mai wird dieses Jubiläum gefeiert. Beim Familienfest erwartet große und kleine Gäste ab 10.30 Uhr ein reiches und buntes Programm. Beim Festakt um 14 Uhr wird Rückschau auf die großen Erfolge des kleinen Nationalparks gehalten und die neue Aussichtswarte "Umlaufblick“ eröffnet. Alle Besucherangebote www.np-thayatal.at.
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