Auf jedem Polizeiposten ein Spezialist für Gewaltschutz

Auf jedem Polizeiposten ein Spezialist für Gewaltschutz
Exekutive reagiert auf die vielen Fälle von häuslicher Gewalt. Flächendeckendes Netz an eigens geschulten Beamten

Die Ehefrau geschlagen und bedroht, das Kleinkind verweint und völlig verängstigt. Bei insgesamt 13.690 Betretungsverboten nach Fällen von häuslicher Gewalt im vergangenen Jahr ist von der einschreitenden Polizei nicht nur Empathie und besonderes Fingerspitzengefühl gefragt. Die Polizisten müssen für solche Fälle auch entsprechend geschult sein.

23 Frauen und Männer der Landespolizeidirektion Niederösterreich haben vor wenigen Tagen ein Ausbildungsseminar zum Gewaltschutzbeamten durchlaufen, 160 solcher Uniformierter gibt es bereits im Bundesland.

„Jeder Polizist muss Gewalt in der Familie grundsätzlich sofort erkennen und handeln. Das Thema ist bereits ein wesentlicher Bestandteil in der zweijährigen Grundausbildung. Wichtig ist aber auch, was danach passiert“, sagt Oberstleutnant Sonja Stamminger von der Landespolizeidirektion Niederösterreich. Sie ist oberste Landestrainerin für den Gewaltschutz und für die Sonderausbildung der Uniformierten verantwortlich. Zu diesem Zweck wird in Österreich flächendeckend ein Netz an eigens geschulten Beamten aufgebaut.

Auf jedem Polizeiposten ein Spezialist für Gewaltschutz

Oberstleutnant Sonja Stamminger

Das Team der Präventionsbediensteten bei Gewalt in der Privatsphäre ist 2021 von 530 auf 842 verstärkt worden. Ziel ist es, auf jeder Polizeiinspektion eine solche Fachkraft zu haben.

Opfer und Gefährder

„Diese Kollegen müssen im Anlassfall die Gespräche mit den Opfern beziehungsweise auf der anderen Seite auch mit den Gefährdern führen“, sagt Stamminger. Dafür sei nicht nur besonderes Gespür notwendig, es gehe darum, Vertrauen zu den Opfern aufzubauen, aber auch kalmierend auf Gefährder einzuwirken. Diese Gespräche werden bei den Trainings und in der Ausbildung stundenlang simuliert und geprobt.

Außerdem stellen die Beamten das Bindeglied zur Sicherheitsbehörde und den zuständigen Institutionen wie den Gewaltschutzzentren dar. „Aufgabe ist es, Akte aufzuarbeiten, die Dokumentationen zu führen und im Bedarfsfall sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen anzuregen“, sagt Stamminger.

Sie werden von der Behörde, etwa der zuständigen Bezirkshauptmannschaft, einberufen und bringen in einem Hochrisikofall alle beteiligten Institutionen an einen Tisch. Gemeinsam wird über besondere Schutzmaßnahmen für gefährdete Personen beraten. Dieses Instrument zur Entschärfung wird immer öfter eingesetzt. Im Vorjahr gab es 57 Fallkonferenzen, 2020 waren es gerade einmal 25.

Im Kreise der Polizei Freiwillige für den Sonderbereich Gewaltschutz zu finden, sei laut Stamminger kein Problem. Das Interesse sei groß.

Auf jedem Polizeiposten ein Spezialist für Gewaltschutz

23 Polizistinnen und Polizisten wurden in NÖ zuletzt als Gewaltschutzbeamte ausgebildet

Deeskalation

Generell sei die Polizei bemüht, im Fall von häuslicher Gewalt den Druck von den Opfern zu nehmen. „Wenn wir nur einen kleinen Hinweis haben, sprechen wir ein Betretungsverbot aus. Dafür brauchen wir nicht die belastende Aussage einer Frau gegen ihren Mann. Das Opfer wird ganz bewusst aus dem Spiel genommen“, sagt Stamminger. Gefragt sei vor allem Deeskalation und Konfliktmanagement.

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