Armutsfalle: Wenn das Geld nicht reicht

Im Waldviertel kaufen bis zu 100 Personen pro Tag beim Soma-Mobil ein.
Sozialmärkte verzeichnen Kundenzuwachs. 65.000 Österreicher sind betroffen.

Sein Kundenstamm wächst fast täglich. Normalerweise ist es erfreulich, wenn ein Geschäft mehr Frequenz verzeichnet. Aber wenn Gerhard Frühberger mehr Kunden zu betreuen hat, ist das eher ein Zeichen dafür, dass die Kluft zwischen Arm und Reich in Österreich immer größer wird. Sein mobiler Sozialmarkt (das SOMA-Mobil) ist Anlaufstelle, damit mehr Geld zum Leben im Börsel bleibt. "Dass die Bürger zu mir kommen müssen, ist leider traurig. Daher will ich, dass der Schmäh rennt", sagt Frühberger. Er steuert das SOMA-Mobil, wie der fahrende Verkaufsladen genannt wird, durch das Waldviertel und bleibt wöchentlich in 20 Orten – seit ein paar Wochen sind es um vier Haltestellen mehr – stehen.

Kurz vor 9.30 Uhr haben sich auf einem abseits gelegenen Parkplatz in Gföhl, Bezirk Krems, fast 15 Kunden versammelt und warten trotz ungemütlichen Wetters gut gelaunt darauf, dass Frühberger die Seitenwand seines weißen Kastenwagens hochfährt. Anstehen, um ein paar Cent zu sparen, heißt die Devise. Frühberger parkt nicht im Zentrum, sondern versteckt, damit nicht gleich jeder Mitbürger mitbekommt, wer den Euro zwei Mal umdrehen muss. Wählerisch dürfen die Kunden nicht sein. Denn im Angebot gibt es nur das, was der rollende Sozialmarkt von Lebensmittelketten kurz vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums bekommt. "Gebäck und Milchprodukte gibt es fast immer. Fleisch haben wir selten", erzählt Frühberger. Langjährige Kunden wissen, dass sie beim Einkauf flexibel sein müssen.

Armutsfalle: Wenn das Geld nicht reicht
Soma-Mobil Waldviertel, Reportage, Gföhl, Bezirk Krems.
"Zuerst schau’ ich daheim, was ich brauchen kann. Und dann komm’ ich her und hoffe, dass der Verkäufer die Sachen auch mit hat", erzählt Stefanie Loidl. Seit fast drei Jahren nützt die Rentnerin die Einkaufsgelegenheit des SOMA-Dienstes. "A Milch gibt’s a?", fragt sie. Frühberger greift zielsicher ins Kühlregal, tippt den Preis in die Kassa und stellt die Packung neben anderen Produkten ab.

Sparen

"Leider komme ich mit meiner Pension nicht aus. Daher ist es super, wenn man hier ein paar Produkte sehr günstig kaufen kann", erzählt Klara Szeplaki, während sie neben dem Verkaufsmobil das Obst und Gemüse in den grünen Plastikboxen nach der Frische kontrolliert. Ein Mal wöchentlich kommt sie hierher, um für die gleichen Produkte wie im Supermarkt bis zu zwei Drittel weniger zahlen zu müssen.

Armutsfalle: Wenn das Geld nicht reicht
Soma-Mobil Waldviertel, Reportage, Gföhl, Bezirk Krems.
Dass in den mobilen, aber auch stationären SOMA-Märkten kein Vollsortiment angeboten wird, hat einen Grund. "Wir wollen keine Konkurrenz zu den Supermärken sein. Sonst bekommen wir vielleicht keine Produkte mehr", sagt Claudia Zwingl, die Sprecherin von SOMA Niederösterreich. Für die Kunden sei das aber kein Nachteil. "Sie sparen sich ein paar Euro. Damit können sie sich die restlichen Produkte im Supermarkt kaufen", sagt Zwingl. Johann Müllauer, 84, schätzt nicht nur das günstige Sortiment, sondern auch die Möglichkeit, mit Bekannten ein paar Worte zu wechseln.
Armutsfalle: Wenn das Geld nicht reicht
Soma-Mobil Waldviertel, Reportage, Gföhl, Bezirk Krems.
Im Waldviertel nützen 80 bis 100 Personen das Angebot pro Tag, von denen die größte Kundengruppe Pensionisten sind. Müllauer ist derzeit einer von mehr als 65.000 Menschen, die mittlerweile bundesweit in SOMA-Märkten einkaufen müssen. In den vergangenen zwei Jahren sei die Zahl um fast ein Drittel gestiegen: "Die Tendenz ist weiter stark steigend", erzählt Zwingl. Waren einige Betroffene vor ein paar Jahren noch zurückhaltend, obwohl sie einen für den Einkauf in SOMA-Märkten notwendigen Pass gelöst hatten, ist die Hemmschwelle längst gesunken. "Die Menschen schämen sich offenbar nicht mehr, wenn sie herkommen müssen", sagt Zwingl. Dass die Armutsfalle rasch zuschnappen kann, ist längst kein gesellschaftliches Tabuthema mehr.

"SOMA" (Sozialmarkt) ist eine Idee, die 1999 in Linz ihren Ursprung hatte.

Mittlerweile gibt es bundesweit 35 Sozialmärkte (davon zwei Mobile in NÖ) und mehr als 65.000 registrierte Kunden.

Zum Einkauf berechtigt sind jene Menschen, die niedrige Einkünfte haben: Das Netto-Einkommen darf nicht höher als 900 Euro sein, bei Zweipersonenhaushalten nicht mehr als 1350 Euro betragen.

Um Hamsterkäufe zu vermeiden, sind pro Woche maximal drei Einkäufe möglich. Nicht im Sortiment angeboten werden Alkohol und Zigaretten.

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