Ärztechef Reisner: "Fachfremde wollen wir nicht"

Christoph Reisner
NÖs Kammerpräsident Reisner spricht über Wahlschlappe, Ärztemangel und Ziele.

Obwohl er bei der Ärztekammer-Wahl am 1. April vier Mandate verlor, sitzt Christoph Reisner dank der Hilfe von fünf Koalitionspartnern weitere fünf Jahre im Präsidenten-Sessel der Ärztekammer Niederösterreich.

KURIER: Wenn man vier Mandate verliert, ist das nicht ein Zeichen dafür, dass die Wähler unzufrieden sind und man daraus Konsequenzen ziehen sollte?

Christoph Reisner: Man muss wissen, dass Ronald Gallob, Kurienobmann der angestellten Ärzte, diesmal auf einer anderen Liste kandidierte und er viele Wählerstimmen mitgenommen hat. Bei den niedergelassenen Ärzten haben wir sogar ein Mandat dazugewonnen. Klar, unser Ziel lautet, die schlechte Wahlbeteiligung (Anm.: 46,96 Prozent) zu heben und die Kommunikation zu verbessern. Wichtig ist, die Webseite zu modernisieren, damit unsere Mitglieder künftig schneller zu Informationen kommen – etwa über ein WhatsApp-Service. Auch Blitzumfragen wollen wir in Zukunft über die Webseite durchführen können.

In NÖ waren heuer mehr als 7600 Mediziner wahlberechtigt – 700 mehr als noch vor fünf Jahren. Wo ist der von Ihnen angesprochene Ärztemangel?

Uns fehlen Ärzte im Notarztwesen und im niedergelassenen Bereich. Das Problem ist, dass viele Mediziner nicht mehr im öffentlichen Gesundheitssystem arbeiten wollen und in den Wahlarztbereich wechseln. Dort gibt es keine Mindestöffnungszeiten und sie können selber entscheiden, wann sie arbeiten.

Aktuell fehlen in NÖ mindestens 13 Kassenärzte – darunter sieben Allgemeinmediziner. Was muss getan werden, damit sich wieder mehr Mediziner für Planstellen bewerben?

Die Bürokratie gehört abgebaut. Ärgerlich ist die Chefarztpflicht für Medikamente, die Zeit kostet, wenn sich ein Allgemeinmediziner oft stundenlang herumschlagen muss, um eine Bewilligung für seine Patienten zu erhalten. Und das von einem Kollegen, der den Patienten überhaupt nie gesehen hat. Außerdem wollen Mediziner lieber als Angestellte in Ordinationen arbeiten, weil ihnen Familie und Freizeit inzwischen wichtiger sind, als die Verdiensthöhe. Dafür müsste zuerst das Ärzte-Gesetz geändert werden. Man muss wissen, dass bereits zwei Drittel der Mediziner weiblich sind.

Die geplante Gesundheitsreform ist ein Reizthema unter den Ärzten. Wo liegt das Problem?

Wir wollen nicht, dass fachfremde Unternehmen ein Primärversorgungszentrum betreiben können. Interesse hat etwa die Porr-Gruppe. Die ist in der Lage, mit Dumping-Preisen zwei bis drei Jahre Verluste einzuplanen; Ärzte können da nicht mithalten. So wird das Gesundheitssystem in Wirklichkeit kaputt gemacht. Klar ist, dass die Primärversorgung wichtig ist. In Niederösterreich werden fünf bis sechs Zentren in größeren Städten machbar sein. Aber auf dem Land muss es weiterhin eine Versorgungsqualität im Nahbereich der Patienten geben. Daher wollen wir die Einzelordinationen und Gruppenpraxen erhalten.

Die Patienten warten im Landesklinikum Neunkirchen laut Webseite der Landeskliniken-Holding (1. Mai 2017) über 62 Wochen auf ein neues Kniegelenk, in Amstetten keinen einzigen Tag. Was sagen Sie dazu?

Das nennt man fehlende Koordination in Niederösterreich. Es ist die Aufgabe der nö. Landeskliniken-Holding, Angebot und Nachfrage anzupassen. Dass zum Beispiel auch die Orthopädie im Landeskrankenhaus Wiener Neustadt geschlossen wurde, kann ich nicht nachvollziehen. Immerhin müsste ein Schwerpunktkrankenhaus alle Bereiche abdecken. Das Problem betrifft nicht nur die Orthopädie, sondern auch die Augenheilkunde.

Was wollen Sie in den nächsten fünf Jahren noch erreichen?

Wir wollen die Finanzierung der Lehrpraxen auf die Beine stellen. Leider ist es ein Versäumnis der österreichischen Ärztekammer, dass dieser Bereich ohne Finanzierung in das Regelwerk hinein reglementiert wurde. Vor allem im Bereich der Allgemeinmedizin ist die Lehrpraxis wichtig, weil Jungärzte genau dort den beruflichen Alltag kennenlernen.

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