Älteste Europa-Karte in Form einer Königin in Retz entdeckt

Älteste Europa-Karte in Form einer Königin in Retz entdeckt
Der Tiroler Humanist Johannes Putsch hat das Kunstwerk im 16. Jahrhundert angefertigt.

Bei Forschungsarbeiten im Weinviertler Stadtmuseum in Retz sind Wissenschaftler auf eine sensationelle Entdeckung gestoßen. Die Archäologin und Kulturforscherin Celine Wawruschka von der Donau-Universität Krems hat einen frühneuzeitlichen Holzschnitt neu bewertet und kam nach einer umfassenden Analyse zu dem Ergebnis, dass darauf die „älteste bekannte Darstellung des europäischen Kontinents in Form einer Königin“ abgebildet ist. Angefertigt wurde das rund 50 mal 70 Zentimeter große Kunstwerk – bestehend aus drei Teilen – im Jahr 1534 vom Tiroler Humanisten Johannes Putsch (1516-1542).

Derartige bildliche Darstellungen eines abstrakten Begriffs – im Fachjargon Allegorien genannt – in Form von Erdteilen seien in der frühen Neuzeit sehr beliebt gewesen. Allgemein gelte die Karte von Putsch als Vorbild aller kartografischen Erdteilallegorien im 16. Jahrhundert: „Spanien stellt den Kopf der Königin dar, Italien den Arm, Sizilien den Reichsapfel, Österreich und Böhmen liegen in der Körpermitte“, erklärt die Expertin.

Älteste Europa-Karte in Form einer Königin in Retz entdeckt

Der nachkolorierte Holzschnitt stammt aus dem Jahr 1534.

Vorbild

Wawruschka beschäftigt sich seit dem vergangenen Sommer mit der Abbildung und sieht das Werk nicht nur als das älteste dieser Form, sondern auch als historisches Vorbild für den Zusammenhalt Europas. Ein Gedicht humanistischer Tradition, das unter dem Kartenrand zu lesen ist und den Kaisern Karl V. (1500-1558) und Ferdinand I. (1503-1564) gewidmet wurde, unterstreicht dies. „Königin Europa“, die von einer antiken Darstellung abgeleitet ist, beklage sich in dem Text über die kriegerischen Zustände auf dem Kontinent und ermahne die beiden Herrscher des Habsburgerreichs, sie vor der Gefahr der einfallenden Türken zu retten. „Der Holzschnitt präsentiert aber auch, dass Europa im Mittelalter noch keine politische Einheit war und es viele kleine Königreiche gab“, erklärt Wawruschka.

Eine Widmung zeige darüber hinaus, dass der Bibliothekar und Archivar des Retzer Dominikanerklosters, Ignaz Lamatsch (1797-1863), die Karte mit der Darstellung Europas zusammen mit anderen Gegenständen im Jahr 1838 dem kurz zuvor gegründeten Stadtmuseum Retz geschenkt habe.

Im Zuge des vom Land Niederösterreich geförderten Foschungs-, Technologie- und Innovationsprogramms (FTI) „MuseumsMenschen“ sollen in den nächsten Wochen weitere materialanalytische Untersuchungen durchgeführt werden, um in einer abschließenden, wissenschaftlichen Veröffentlichung alle – mit derzeitigen Mitteln – möglichen Aussagen zur Retzer „Königin Europa“ preisgeben zu können.

Die historische Europakarte wird ab dem Museumsfrühling (18./19. Mai) bis zum Saisonende am 26. Oktober im Museum Retz öffentlich zu sehen sein.

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