Abbiegeassistent auch bei Blaulicht

Die Feuerwehr Mödling stattet ihre Fahrzeuge  mit Kameras aus, die den „toten Winkel“ auf dem Bildschirm abbilden, erklärt Kommandant Lichtenöcker.
Feuerwehren testen erstmals solche Assistenzsysteme. Doch Notwendigkeit und Nutzen sind umstritten

Sobald die Türen geschlossen sind, schaltet sich der Bildschirm ein. Eine kleine Kamera über der Beifahrertür behält die rechte Seite des Feuerwehrautos „im Auge“. Bei der Ausfahrt aus der Garage ertönt ein akustisches Signal. Ebenso, wenn sich ein Kind oder Fahrradfahrer im toten Winkel befindet.

Seit wenigen Wochen rüstet die Freiwillige Feuerwehr Mödling zehn ihrer Einsatzfahrzeuge ab 5,5 Tonnen Gewicht mit Abbiegeassistenzsystemen nach. Freiwillig. „Um sicher am Einsatzort anzukommen“, erklärt Kommandant Peter Lichtenöcker. Sicher für Fußgänger oder Radfahrer, die sich im toten Winkel befinden könnten. Aber auch sicher für die ehrenamtlichen Mitglieder, die die Verantwortung tragen. „Unsere Leute sind ja keine Berufskraftfahrer“, sagt Lichtenöcker. Viele hätten sich am Steuer unwohl gefühlt, wird erzählt.

Abbiegeassistent auch bei Blaulicht

Die kleinen Kameras sind über der Beifahrertür angebracht

Nach mehreren tödlichen Unfällen beschäftigt die Diskussion um verpflichtende Lkw-Abbiegeassistenten nicht nur Städte und Gemeinden, die ihre Fuhrparks nachrüsten, sondern auch die Feuerwehren. Doch ob diese künftig verpflichtend – spätestens mit der EU-Vorgabe für neue Lkw ab 2022 – mit den Systemen ausgestattet werden müssen, ist ebenso unklar wie die Frage, ob diese für sie überhaupt mehr Sicherheit bringen.

Kameraden skeptisch

In Linz jedenfalls ist von der im Gemeinderat beschlossenen Nachrüstung auch die Berufsfeuerwehr betroffen. „Wir haben das System derzeit in zwei Fahrzeugen eingebaut“, sagt Albert Riedl, Leiter der Abteilung Feuerwehrtechnik. Dieses gebe optische und akustische Signale ab, sobald sich jemand – oder etwas – im toten Winkel befinde.

30 Fahrzeuge sollen umgerüstet werden – was sich mit 30.000 bis 40.000 Euro zu Buche schlagen wird. Die Kollegen seien aber noch skeptisch, sie würden befürchten, im Falle eines Unfalls stärker zur Verantwortung gezogen zu werden. Zudem sei das System sehr sensibel eingestellt und melde sich oft unbegründet. „Aber es ist ein zusätzliches Sicherheitsfeature“, meint Riedl.

Abbiegeassistent auch bei Blaulicht

Der Abbiegeassistent überwacht den toten Winkel

Feuerwehren von Verordnung ausgenommen?

In Wien wiederum, wo derzeit eine Verordnung in Vorbereitung ist, die ab 2021 ein Rechtsabbiegeverbot für Lkw mit mehr als 7,5 Tonnen Gewicht ohne Abbiegeassistenten vorsieht, ist die Vorgangsweise noch nicht ganz geklärt. Da Feuerwehrfahrzeuge als Spezialkraftfahrzeuge zugelassen sind, dürfte die Berufsfeuerwehr von der Regelung ausgenommen sein, meint der Leiter der zuständigen MA 46 (Verkehrsorganisation), Markus Raab. „Das ist noch ein Punkt, der geklärt werden muss“. Eine andere Ansicht vertritt man auf Anfrage im Büro von Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Birgit Hebein. Betroffen wären rund 100 Fahrzeuge.

Feuerwehren warten erste Erfahrungen ab

„Ein Feuerwehrfahrzeug, das im Einsatz ist, ist von einem Frächter zu unterscheiden“, meint auch Michael Miggitsch vom Bundesfeuerwehrverband. Sie seien mit Blaulicht unterwegs; man gehe davon aus, dass andere Verkehrsteilnehmer hier Rücksicht walten ließen. Generell sei bei 90 Prozent aller Fahrten der Lenker nicht allein im Fahrzeug. Am Beifahrerplatz sitze der Fahrzeugkommandant, der den Lenker unterstütze und auf den Verkehr achte, erklärt der Experte.

Zudem bestehe das Risiko, dass bei einer ohnehin schon stressigen Einsatzfahrt mit Blaulicht und eingeschaltetem Funk ein weiteres akustisches Signal den Fahrer zusätzlich belaste. „Deshalb sind die Erfahrungswerte aus Linz und Mödling so wertvoll“, betont Miggitsch.

In Mödling ist man mit den ersten Erfahrungen zufrieden. Denn trotz Beifahrer – letztendlich trage der Lenker die Verantwortung.

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