19 Jahre nach Grundstückskandal: Prozess gegen einen „alten Bekannten“

Ein Foto aus besseren Zeiten: Mario Sajowitz genoss lange das Vertrauen von SPÖ-Stadtchefin
Traude Dierdorf
Es war der größte politische Skandal in 70 Jahren SPÖ-Alleinregierung in Wiener Neustadt. 19 Jahre nach dem sogenannten Grundstücksdeal am Flugplatz-Ost holt nun die Geschichte eine schillernde Figur ein.
Der damals in Ungnade gefallene Manager der Stadttochter WBB, Mario Sajowitz, musste diese Woche einen schweren Gang am Landesgericht Wiener Neustadt antreten. Sajowitz ist wegen Untreue angeklagt. Vertreten wird er in dem Strafverfahren von einem ebenso prominenten Gesicht, dem früheren Bürgermeister und SPÖ-Nationalrat Peter Wittmann.
Um die Hintergründe zu verstehen, muss man ins Jahr 2003 zurückblicken. Sajowitz sollte damals als WBB-Chef die Interessen der Stadt Wiener Neustadt vertreten. Die WBB hatte als 100-prozentige Stadttochter die Kaufoption für ein 110.000 Quadratmeter großes Grundstück am Flugplatz-Ost. Weder die Stadt noch die WBB zogen die Option, das Areal zum Schnäppchenpreis um 9,27 Euro pro Quadratmeter zu kaufen.

2005 kam es zum Prozess zwischen der Stadt und Mario Sajowitz
Schönheitsklinik
Sajowitz selbst ließ sich das Geschäft aber nicht entgehen. Das Areal ging an die eiligst gegründete „Flugplatz-Ost Liegenschaftsverwertungs-GmbH“ des Rechtsanwaltes Johannes Ehrenhöfer. Der Jurist war auch Anwalt der Stadt, Sajowitz wurde der Geschäftsführer. Die Gesellschaft verkaufte zeitnah einen Teil des Areals weiter und machte damit fette Gewinne, anfangs 600.000 Euro und später mehr.
Im Dezember 2005 hatte Sajowitz zusammen mit einem Chirurgen eine weitere Geschäftsidee. Sie gründeten die Waldklinik Errichtungs- und Betriebs GmbH, mit dem Ziel, in der herrschaftlichen „Hartig Villa“ in Bad Sauerbrunn im Burgenland eine Schönheitsklinik samt Ärztezentrum zu etablieren. Das Anwesen war einst die Wiege der Erzdiözese Eisenstadt.
Als der Plan scheiterte, und sich auch die Waldklinik um sechs Millionen Euro nicht verkaufen ließ, kam es 2020 zum Konkurs. In dem Jahr hatte auch die „Flugplatz-Ost Liegenschaftsverwertungs-GmbH“ überraschend Insolvenz angemeldet. Im Zuge der Abwicklung waren dem Masseverwalter und Gläubigern merkwürdige Vorgänge aufgefallen.

In die Waldklinik in der „Hartig Villa“ in Bad Sauerbrunn soll viel Geld zur Rettung geflossen sein
Der Grundstückskandal erschütterte die Stadtpolitik in Wiener Neustadt. Die damalige SPÖ-Stadtchefin Traude Dierdorf war auf eigene Faust und ohne Beschluss der Gremien einen umstrittenen Deal eingegangen. Nutznießer waren der Rechtsanwalt Johannes Ehrenhöfer sowie der frühere WBB-Manager Mario Sajowitz. Ehrenhöfer ist jene Person, der mit seiner GmbH das Grundstück am Flugplatz-Ost erwarb, auf das die Stadt eine günstige Option hatte. Bei der Abwicklung des Geschäfts setzte er Mario Sajowitz als Geschäftsführer ein. Die Stadt fühlte sich von den Beiden derart hintergangen, dass sie im Rathaus in Ungnade fielen. Dierdorf ließ Ehrenhöfers Anwaltskanzlei keine Aufträge der Stadt mehr zu kommen und gegen Sajowitz zog man vor Gericht.
Am Ende stand die Gemeinde jedoch als großer Verlierer da. In einer außergerichtlichen Einigung musste die Stadt 200.000 Euro an Sajowitz bezahlen. Im Verborgenen wurden aber noch weit mehr Zugeständnisse gemacht. Die Inhalte sorgten für den nächsten Skandal. Eine geheime Vereinbarung besagte, dass die Anwaltskosten von Sajowitz (über 40.000 Euro) von einer namentlich nicht genannten dritten Person bereinigt werden.
Exklusiv
Aufreger ist der zwischen der Stadt und Ehrenhöfers Kanzlei getroffene Vertrag, der Dierdorfs Unterschrift trug. Darin erhielt der Jurist einen Freibrief, die Stadt bis 2015 in allen rechtlichen Belangen zu vertreten. Im Detail wurde dem Juristen exklusiv die anwaltliche Beratung des damaligen Gemeindespitals zugesichert – darüber hinaus auch noch Vertretungstätigkeiten für die Gemeinde, das Kommunalservice und die Liegenschaften der Stadt.
Das Abkommen wurde später unter Dierdorfs Nachfolger, SPÖ-Bürgermeister Bernhard Müller aufgekündigt. Ehrenhöfer zog deswegen vor Gericht und bekam in erster Instanz Recht. Die Stadt ging allerdings in Berufung und das Urteil wurde vom OLG Wien aufgehoben.
Darlehen
Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ermittelte und wurde fündig. Sajowitz wurde wegen Untreue und anderer Delikte angeklagt, er soll grob gegen Gläubigerinteressen verstoßen haben. Wie aus der Anklage zu lesen ist, soll er Geld aus der Flugplatz-GmbH an sich selbst und zur Rettung der Waldklinik an diese transferiert haben. „Der Angeklagte soll als Gesellschafter-Geschäftsführer mehrere Darlehen ohne konkret vereinbarte Rückzahlungsmodalitäten in der Höhe von insgesamt EUR 270.000 Euro an sich selbst und einem anderen Unternehmen gewährt haben“, heißt es dazu im Akt.
1,5 Millionen Euro Ausfall
Die Verdachtsmomente sind noch weitreichender. Der Staatsanwalt wirft Sajowitz vor, „streckenweise keine Geschäftsbücher geführt zu haben“. Durch die Zahlungsunfähigkeit soll er „die Befriedigung der Gläubiger vereitelt haben“. Wobei es laut Anklage zu einem Befriedigungsausfall von 1,5 Millionen Euro gekommen sein soll.
Anwalt Peter Wittmann war zu keiner Stellungnahme bereit. Der Prozess wurde auf 10. Februar vertagt.

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