Mutter sein ist ihr Beruf

Agnes Pröll hat keine leiblichen Kinder, dafür aber zehn Geschwister .
Die 44-Jährige ist Kinderdorf-Mutter von vier Burschen und zwei Mädels.

Man kann sie schon von Weitem hören, dann hüpfen sie plötzlich ins Wohnzimmer: Der vierjährige Michael* hält stolz eine Margerite in der Hand, die kleine Anna* kommt gleich mit einem ganzen Büschel, das sie auf der Wiese ausgerissen hat. "Schau Agnes, Bluuuumen", quietscht die Dreijährige.

Es ist Vormittag im SOS-Kinderdorf in Altmünster. Nach dem Blumenpflücken möchten die Kinder eine Stärkung. "Eine Vormittagsjause bitte", fordert Anna. Kinderdorf-Mutter Agnes Pröll hat vorgesorgt und Schoko-Croissants gebacken. "Es waren noch so viele Osterhasen zu verarbeiten", sagt die 44-Jährige.

Im Dezember 2011 hat die gebürtige Mühlviertlerin eine Kinderdorf-Familie gegründet. Gestartet wurde mit vier Kindern, mittlerweile ist die Rasselbande auf sechs Burschen und Mädchen im Alter zwischen drei und elf Jahren gewachsen, die jetzt mit Agnes Pröll unter einem Dach wohnen. Die leiblichen Eltern waren mit ihren Kindern überfordert. "Es sind ganz unterschiedliche Gründe, warum sie nicht mehr bei ihren Eltern leben können. Psychische Probleme, Alkohol, Drogen. Oder es trennen sich Vater und Mutter." In Oberösterreich gibt es zwei SOS-Kinderdörfer. In Altmünster bei Gmunden werden etwa 100 Kinder und Jugendliche Betreut, in Rechberg im Bezirk Perg sind es 22.

Für ihren Beruf als Kinderdorf-Mutter hat sich Agnes Pröll ganz bewusst entschieden. "Ich bin eine Quereinsteigern. Eigentlich komme ich aus dem Tourismus, dann habe ich lange auf einer Bank gearbeitet. Aber das hat mir irgendwann gereicht." Im Kinderdorf ist die 44-Jährige nun professionelle Mutter mit Gehalt und Urlaubsanspruch.

Flohhaufen

Um ihren sechs Schützlingen eine gute Begleiterin zu sein, braucht sie nicht nur viel Einfühlungsvermögen, sondern auch Organisationstalent. Denn ihr "Flohhaufen", wie Agnes Pröll ihn liebevoll nennt", hält sie ordentlich auf Trab. Es geht um Arztbesuche, Sprechtage in der Schule, Hausübungen und die Kommunikation mit den leiblichen Eltern. "Die Kinder sollen Kontakt zu ihnen haben, das ist mir sehr wichtig. Sie haben ein Recht darauf, die echte Mama wird immer die echte Mama bleiben."

Dennoch, sagt die 44-Jährige, können das Verhältnis zu ihren sechs Burschen und Mädels nicht nur professionell sein. "Es fühlt sich für mich schon so an, als wären sie meine eigenen Kinder. Ich habe mit ihnen schon viel durchgestanden und eine enge Bindung aufgebaut."

Das wissen auch die Kleinen zu schätzen: Am heutigen Muttertag gibt es für Agnes Pröll das eine oder andere Geschenk, vielleicht auch ein Gedicht. "Wir frühstücken aber nicht zu siebt im Bett. Da würde es danach fürchterlich ausschauen", meint die 44-Jährige und lacht. *Namen geändert

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